Laut einer Studie des Pestel-Instituts fehlen in Deutschland aktuell rund 550.000 Wohnungen. Somit bleiben Neubauprojekte eines der wirksamsten Mittel, um neuen Wohnraum zu schaffen. Doch auch in Bestandsgebäuden steckt durch Aufstockungen großes Potenzial. Schätzungen zufolge könnten auf diesem Weg in Deutschland rund 2,5 Millionen neue Wohnungen entstehen.
Warum Aufstockungen sinnvoll sind
Effiziente Grundstücksnutzung
Mit einer Aufstockung erhält ein bestehendes Gebäude zusätzliche Geschosse – eine Lösung für den Wohnungsbau, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich sinnvoll sein kann. Statt auf einem neuen Grundstück zu bauen, entstehen auf bereits vorhandener Fläche neue Wohnungen. Oftmals setzen Bauherren dabei auf Fertigelemente sowie eine Holzständerbauweise, was meist Zeit und Kosten spart.

Modernisierung und vorhandene Technik nutzen
Ein weiterer Pluspunkt: Im Zuge einer Aufstockung können bestehende Wohneinheiten modernisiert und energetisch saniert werden, was u.a. den Wert und die Wohnqualität der Immobilie steigert. Zudem sind in Bestandsgebäuden Strom-, Wasser- und Heizungsleitungen bereits vorhanden. Somit ist es möglich, neu errichtete Wohneinheiten ohne größeren Aufwand an bestehende Leitungen und Technik anzuschließen.
Aufstockungen – mögliche Hürden
Grundstückssuche und Eigentümergemeinschaft
So aussichtsreich das Prinzip der Aufstockung auf den ersten Blick scheint, gibt es dabei auch Herausforderungen wie z.B. die Suche nach geeigneten Grundstücken. Leider steht Bauträgern derzeit keine zentrale Datenbank mit aufstockbaren Gebäuden zur Verfügung.
Eine weitere Hürde ist, dass Bestandsgebäude häufig in Eigentümergemeinschaften (WEGs) organisiert sind, was bauliche Veränderungen nur mit der Zustimmung aller WEG-Mitglieder möglich macht.
Bebauungsplan und Genehmigungsverfahren
Doch nicht nur die Grundstückssuche muss gelingen – ein Blick in den Bebauungsplan verrät, ob eine Aufstockung aus rechtlicher Sicht erlaubt ist. Hier ist z.B. festgelegt, wie hoch gebaut werden darf oder welche Dachformen zulässig sind.
Tipp: Wenn bereits ähnliche Vorhaben in der Nachbarschaft realisiert wurden, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass eine Aufstockung genehmigt wird.
Apropos Genehmigung: Nicht zu unterschätzen ist der Genehmigungsaufwand einer Aufstockung. Je nach Gebäude kann dieses Verfahren langwierig sein und zahlreiche Akteure involvieren (Stadtplanung, Denkmalpflege, Brandschutz, Nachbarschaftsbeteiligung).

Statik, Brandschutz und Mobilität
Ob Neubauprojekt oder Erweiterung eines Bestandsgebäudes – Aspekte wie Statik, Brandschutz und Mobilität sollten bei der Planung im Mittelpunkt stehen. Je nach Gebäudenutzung sowie Höhe und Größe der entstehenden Wohneinheiten kann es zu unterschiedlichen Brandschutzauflagen kommen. Eventuell müssen nach einer Aufstockung weitere Flucht- und Rettungswege vorhanden sein. Hierfür ist ein Blick in die Landesbauordnung hilfreich.
Ein entscheidendes Kriterium bei Aufstockungen ist außerdem die Statik. Entstehen neue Wohneinheiten, sorgt das für zusätzliches Gewicht auf dem Baugrund und Mauerwerk. Hier ist die Expertise eines Architekten und Statikers gefragt. Diese Fachleute können überprüfen, ob das Grundstück und Gebäude baulich für eine Aufstockung geeignet ist.

Aufzüge und Stellplätze
Ein weiterer Aspekt, der bei einer Aufstockung eine wichtige Rolle spielt, ist das Thema Mobilität. Projektentwickler sollten sich vor Beginn des Bauvorhabens folgende Frage stellen: Sind ausreichend Aufzüge vorhanden? Denn: Gebäude, die höher als 13 Meter sind, benötigen laut § 39, Abs. 4, MBO eine ausreichende Anzahl an Aufzügen, um die Mobilität der Bewohner sicherzustellen. Die Fahrstühle müssen alle Stockwerke erschließen. Ausnahmen gelten im obersten Stock, im Erdgeschoss oder im Keller, falls der Einbau dort zu kompliziert ist.
Der Bereich Mobilität umfasst zudem die Verfügbarkeit von Fahrrad- oder PKW-Stellplätzen für Bewohner. Entsteht neuer Wohnraum in einem Gebäude, sind ggfs. weitere Stellplätze erforderlich. Auch hier sollten Projektverantwortliche einen Blick in die Landesbauordung werfen und prüfen, welche Vorschriften für das Bauvorhaben relevant sind.
Leuchtturmprojekte: neuer Wohnraum durch Aufstockungen
In Deutschland wurden bereits einige Aufstockungsprojekte umgesetzt, und Akteure sowohl aus Politik als auch Baubranche sind sich der Notwendigkeit für diese Art des Bauens längst bewusst. So äußerte sich die ehemalige Bundesbauministerin Klara Geywitz zum Thema Aufstockung bereits im Jahr 2022:
Wir müssen zum einen natürlich mehr Wohnungen bauen in Deutschland, die werden gebraucht von ganz vielen. Gleichzeitig müssen wir mit dem Blick auch auf den Klimawandel so bauen, dass wir Fläche sparen, dass nicht jede Generation immer mehr neue Flächen versiegelt.
Doch wie sieht das konkret aus? Wir haben uns exemplarisch einige Projekte genauer angeschaut.
Platensiedlung in Frankfurt-Ginnheim
Zwischen 2018 und 2024 wurde die Platensiedlung in Frankfurt-Ginnheim nach Plänen des Frankfurter Architekten Stefan Forster umfassend saniert und aufgestockt. Dabei sind 681 neue Wohnungen entstanden, etwa die Hälfte davon gefördert. Das Quartier ist von 342 auf über 1.000 Einheiten gewachsen, und das ohne zusätzliche Flächenversiegelung.
Berlin-Buch: Aufstockung von Plattenbauten
Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE hat in Berlin-Buch einen fünfstöckigen Plattenbau vom Typ WBS 70 (gut für Aufstockungen geeignet) um drei Stockwerke in Holzhybrid-Bauweise erweitert. Dadurch sind 22 zusätzliche Wohneinheiten entstanden.
Aufstockung auf einem Garagendach
Architekt Falk Schneemann zeigt mit seinem Pilotprojekt in Karlsruhe-Rintheim, wie Nachverdichtung auf intelligente Weise gelingen kann. Auf drei eingeschossigen Garagenzeilen einer Nachkriegssiedlung ist rund 536 m² Wohnfläche entstanden – aufgesetzt in modularer Holzbauweise, kreislauffähig, demontierbar und bei Bedarf versetzbar.
Quartier Am Rotweg in Stuttgart
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 2027 (IBA’27) wird das Quartier Am Rotweg in Stuttgart neu entwickelt. Dabei sollen bestehende Gebäude aufgestockt und durch Neubauten ergänzt werden, um insgesamt 250 bis 280 neue Wohneinheiten zu schaffen.
Fördermöglichkeiten für Aufstockungen
Für die finanzielle Planung einer Aufstockung ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine wichtige Anlaufstelle und sollte bezüglich möglicher Fördermöglichkeiten konsultiert werden.
Wenn im Rahmen einer Aufstockung eine energetische Sanierung erfolgt, können Bauträger durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ggfs. von einem zinsgünstigen Kredit und Tilgungszuschuss profitieren.

Bundesweite Förderprogramme
Programm 261 – Wohngebäude – Kredit
- Kreditbetrag: Bis zu 150.000 € je Wohneinheit.
- Tilgungszuschuss: Zwischen 5 % und 45 % der Kreditsumme, abhängig vom erreichten Effizienzhaus-Standard.
- Zusätzliche Förderung: Bis zu 5.000 € Zuschuss für die Baubegleitung durch einen Energieeffizienz-Experten.
- Voraussetzung: Das Gebäude muss nach der Sanierung mindestens den Effizienzhaus-Standard 85 erreichen.
Programm 159 – Altersgerecht Umbauen
- Kreditbetrag: Bis zu 50.000 € je Wohneinheit
- Tilgungszuschuss: Bis zu 6.250 €, wenn die Maßnahme den Standard „Altersgerechtes Haus“ erfüllt
Regionale Förderprogramme
Neben den KfW-Förderprogrammen haben viele Bundesländer eigene Programme, um dem Wohnungsbau auf die Sprünge zu helfen. Diese beziehen sich auch auf Aufstockungen.
Die Bayerische Landesbodenkreditanstalt (BayernLabo) fördert den Neubau und die Erweiterung von Wohnraum, einschließlich Aufstockungen, mit zinsgünstigen Darlehen und Zuschüssen. Die Förderhöhe und -konditionen variieren je nach Programm und regionalem Bedarf.
In Nordrhein-Westfalen bietet die NRW.BANK Förderdarlehen, um Wohnraum durch Aufstockung zu schaffen. Im Jahr 2024 wurde das Fördervolumen auf 2,7 Milliarden Euro erhöht, um auf die steigende Nachfrage zu reagieren.
Das Land Hessen stellt Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau bereit, die auch für Aufstockungen verwendet werden können. Im Jahr 2021 wurden 370 Millionen Euro für den Bau von geförderten Wohnungen bereitgestellt.
Wichtige Hinweise für die Antragstellung
Damit bei der Antragstellung für die entsprechende Förderung alles rund läuft, ist es wichtig, folgende Hinweise zu beachten.
- Antragszeitpunkt: Der Förderantrag muss vor Beginn der Baumaßnahme gestellt werden.
- Energieeffizienz-Experte: Für KfW-Förderungen ist die Einbindung eines zertifizierten Energieeffizienz-Experten erforderlich, der die Planung und Durchführung der Maßnahme begleitet.
Gut zu wissen: Eine Kombination aus KfW-Förderungen und regionalen Förderprogrammen ist möglich, sofern die jeweiligen Bedingungen erfüllt sind.
Fazit
Durch Aufstockungen kann in Deutschland dringend benötigter Wohnraum entstehen. Doch gibt es dabei wie auch bei Neubauprojekten einiges zu beachten: von der Baugenehmigung über die Statik bis hin zum Brandschutz. Mit entsprechenden Förderungen können sich Aufstockungen nicht nur finanziell lohnen, sondern auch nachhaltigen Wohnraum schaffen, etwa wenn ein Gebäude nach modernen energetischen Standards saniert wird.
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