Innenansicht des Ausbauhauses, geprägt von Holzwänden und Betondecken.

Ausbauhäuser: Interview mit Henri Praeger von Praeger Richter Architekten

Wenn es heute um den Kauf einer Neubau-Immobilie geht, sind flexible Grundrisse, Nachhaltigkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis wichtig. Das Ausbauhaus von Praeger Richter Architekten versucht, diese Faktoren zu vereinen. Im Interview erklärt Henri Praeger das Konzept des Ausbauhauses und verschafft Einblicke in einige bereits realisierte Projekte des Berliner Architekturbüros.

Porträtfoto von Henri Praeger (links) und Jana Richter (rechts).

Henri Praeger und Jana Richter

Henri Praeger und Jana Richter, die kreativen Köpfe hinter dem Berliner Büro Praeger Richter Architekten, teilen eine beeindruckende gemeinsame Laufbahn. Beide studierten Städtebau und Architektur an der BTU Cottbus und vertieften ihr Wissen 2003 mit einem Aufbaustudium an der renommierten Städelschule in Frankfurt am Main. 2004 gründeten sie ihr eigenes Architekturbüro in Berlin und setzen damit ein klares Zeichen in der Architekturwelt.

Foto: Henri Praeger (links) und Jana Richter (rechts). © Benedikt Kraft

neubau kompass
Könnten Sie uns zu Beginn kurz erklären, wie das Ausbauhaus-Konzept funktioniert und welche Vorteile es bietet?
Henri Praeger

In unseren Ausbauhäusern sind der Rohbau und die Gebäudehülle bewusst unabhängig vom Innenausbau geplant und gebaut. Das macht individuelle Ausbauwünsche möglich, ohne dass das Gesamtprojekt dadurch beeinflusst wird. Zudem ist die Wiederverwertung von Bauteilen schon von Beginn an eingeplant. Die Materialien werden trocken montiert, das heißt sie werden sicht- und lösbar verschraubt, gelegt, gesteckt und können wieder abgebaut und an anderer Stelle eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil beim Ausbauhaus ist der Einsatz serieller Bauelemente sowie die Modulbauweise, wodurch sich die Bauzeit verkürzen lässt und Kosten gespart werden können.

„Die Materialien werden sicht- und lösbar verschraubt, gelegt, gesteckt und können wieder abgebaut und an anderer Stelle eingesetzt werden.“

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Welche Projekte haben Sie bereits umgesetzt und wo liegen die Besonderheiten bei diesen?
Henri Praeger

Wir haben bereits vier Ausbauhaus-Projekte umgesetzt. Beim Ausbauhaus Neukölln liegt der Fokus auf den individuellen Ausbaumöglichkeiten des Projekts mithilfe unterschiedlicher Ausbau-Pakete. Durch ein robustes Rohbauregal konnten die zukünftigen Bewohner des gemeinschaftlichen Wohnprojekts ihren gewünschten Ausbaustandard frei wählen. Sie konnten sich zwischen den Standards „Wohnung“, „Loft“ und „Selbstausbau“ entscheiden und so nach eigenen Vorstellungen und vorhandenem Budget ihre Wohnung mitgestalten.

Außenansicht des Ausbauhauses in Berlin-Neukölln. Die Fassade ist geprägt durch großzügige Balkone und Giebelfenster.
Ausbauhaus in Berlin-Neukölln. © Andreas Friedel

Bei den Massivholzhäusern in Neuruppin liegt der Schwerpunkt auf dem kostengünstigen und ökologischen Bauen. Die tragenden Bauteile der zwei Wohnhäuser sind aus vorgefertigten Massivholzplatten (BSP) ausgeführt. Durch diese konsequente Vorfertigung der Bauelemente konnten wir Arbeitskraft und Bauzeit einsparen. Die entstandenen Verschnitte der Massivholzplatten wurden zum Bau eines Nebengebäudes genutzt.

Massivholzhaus in Neuruppin. Es verfügt über eine rote Fassade mit tiefen Fenstern und einem Flachdach.
Massivholzhaus in Neuruppin. © Andreas Friedel.

„Durch diese konsequente Vorfertigung der Bauelemente konnten wir Arbeitskraft und Bauzeit einsparen.“

Außerdem lässt sich das Ausbauhaus-Konzept im Bestand anwenden: Die alte Tabakfabrik in Dresden wurde zu einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt einer Baugruppe. Mithilfe eines Spurensicherungsverfahrens war es möglich, alte, noch nutzbare Baumaterialien zu identifizieren, die sich für die erneute Verwendung eigneten. Diese wurden fotografisch und zeichnerisch dokumentiert und beispielsweise in den kalten Zwischenzonen zwischen alter Hülle und neu eingesetztem Baukörper, die vielseitig genutzt werden, verwendet.

Dachterrassen-Blick der alten Tabakfabrik in Dresden.
Tabakfabrik in Dresden. © Andreas Friedel

Das im Sommer 2022 fertiggestellte Ausbauhaus Südkreuz beschäftigt sich mit dem Gebäude als Materiallager. Die Materialien des in Holz-Beton-Hybridbauweise errichteten Gebäudes wurden ihrem Lebenszyklus entsprechend eingesetzt: Die dauerhafte Tragstruktur ist aus Beton und dadurch nutzungsflexibel. Die Holzfassade ist als rückbaubare Holzkonstruktion ausgeführt. Den Innenausbau der Wohnungen, als kurzlebigster Teil des Hauses, haben wir verbundstofffrei und mit nachwachsenden Baustoffen umgesetzt.

Straßenansicht des Ausbauhauses in Berlin-Südkreuz. Das Gebäude ist von einer Holzfassade und bodentiefen Fenstern geprägt.
Ausbauhaus in Berlin-Südkreuz. © Andreas Friedel
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Was muss geschehen, damit diese Art des Bauens zukünftig im großen Stil umgesetzt werden kann?
Henri Praeger

Es wäre wichtig, mehr kommunale Ausschreibungen in Form von Konzeptverfahren zu eröffnen, die ambitionierte Projekte gezielt initiieren und fördern. Der CO₂-Footprint von Gebäuden und der verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen müssen in den Prozessen von Planung und Umsetzung verankert werden.

Der ökologisch und wirtschaftlich motivierte Wunsch, vorhandene Bauteile wiederzuverwenden, kann erst Mainstream werden, wenn die verwendeten Baumaterialien und die ausführenden Baugewerke entsprechend vorbereitet sind. Derzeit können viele Sekundärrohstoffe überhaupt nicht oder nur nach umfangreicher Reparatur wiederverwendet werden, da sie oft als Verbundwerkstoffe eingesetzt wurden und nicht den heutigen Standards des Bauens entsprechen.

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Wie könnte es gelingen, Projektentwickler deutschland- oder vielleicht sogar weltweit vom Konzept des Ausbauhauses zu überzeugen?
Henri Praeger

Hierbei ist wahrscheinlich der wirtschaftliche Faktor ausschlaggebend. Im Ausbauhaus-Prinzip greifen ökonomische und ökologische Parameter ineinander. Um Ausbauhäuser kostengünstig zu bauen, sind eine gute Entscheidungsstruktur im Planungsprozess, eine vollständige und abgeschlossene Planung sowie eine regional übliche und detailarme Bauweise nötig. Baulich sind ein hoher Anteil an Vorfertigung, der Einsatz marktüblicher Industrieprodukte und die Reduzierung von Verschnitt und Abfall Bedingung.

Visualisierung des nachhaltigen Kreislaufes der Baumaterialien im Ausbauhaus-Konzept.
Im Ausbauhaus-Prinzip greifen ökonomische und ökologische Parameter ineinander. © Praeger Richter Architekten

Im Rahmen der Vorfertigung wird die Gebäudestruktur zu einem frühen Zeitpunkt festgelegt. Dadurch sind auch die erweiterten Rohbaugewerke wie Fassade, Dach und Fenster systematisierbar und lassen sich seriell und modularisiert herstellen. Das vereinfacht die Schnittstelle zwischen Vorfertigung und Montage auf der Baustelle.

Die Arbeitsleistung ist ein enormer Kostenfaktor im Bauwesen. Bei der Planung ist deshalb zu berücksichtigen, dass jede handwerkliche Leistung, die gar nicht erst nötig wird, Kosten spart. Auch beim Bauablauf der Ausbauhäuser wurde durch Vermeidung von Überschneidungen der einzelnen Gewerke und durch Reduzierung zeitlich versetzter Arbeitsschritte der Aufwand der ausführenden Firmen reduziert. Detailarme Planung und kurze, übersichtliche Leistungsbeschreibungen unterstützen diesen Prozess.

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Wie sehen Sie die Zukunft des Ausbauhaus-Konzepts im Kontext der aktuellen Trends in der Architektur und im Wohnungsbau?
Henri Praeger

Wir sind überzeugt von den gestalterischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen und freuen uns, dass sich der aktuelle architektonische Diskurs ebenfalls mit diesen Themen auseinandersetzt. Eine Bauwende kann nur gemeinsam gelingen, wenn an vielen Stellen und auf unterschiedlichen Ebenen gedreht wird. Die in den Ausbauhäusern umgesetzten Ideen steuern auf dieses Ziel hin und helfen, die Gebäude zu eigenständigen Wohnprojekten und langfristig nutzerfreundlichen, anpassbaren Häusern zu machen.

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Herzlichen Dank für das Gespräch!
Interview:   Janek Müller
Titelbild:   © Andreas Friedel

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