Holzhäuser nach Maß: Interview

Holzhäuser nach Maß: Interview

Beim Spaziergang durch Allach, einem Ortsteil von München, entdeckten wir eine Baustelle, bei der gerade fleißig an einem Holzhaus gebaut wurde. Das hat natürlich sofort unser Interesse geweckt. Lesen Sie nun, was uns Architekt Dipl.-Ing. Heinz Leucht und Martin Spiegl, Zimmerermeister und Bautechniker, im Interview über ihre Passion für den Hausbau mit Holz erzählt haben. 

Was fasziniert Sie am Baumaterial Holz?

H. Leucht: Bei der Planung bedeutet Massivholzbau geringere Wandstärken, und daraus ergibt sich natürlich für den zukünftigen Bewohner wieder ein großer Vorteil: mehr Nutzfläche. Durch den hohen Grad an Vorfertigung im Massivholzbau kann schneller gebaut werden – und das bei extrem hoher Genauigkeit. Die erfolgte Planung wird von meinem Partner, dem Zimmerermeister und Bautechniker Martin Spiegl, millimetergenau umgesetzt. Alle Fensteröffnungen, Elektrodosen, Schlitze etc. werden im Werk bereits mittels CNC-Maschinen in die stockwerkshohen Platten aus Kreuzlagenholz gefräst. So können z.B. Fenster schon in der Planungsphase bestellt werden und nicht erst, wenn der Sturz vermauert ist.

Filigran, aber massiv. Durch die dünne Materialstärke gibt es im Innern später einen deutlichen Platzvorteil. Bildquelle: H. Leucht

Das klingt nach Maßarbeit, die sich bereits beim Bau auszahlt. Profitieren auch andere Gewerke?

H. Leucht: Der Elektriker kann auf dieser Basis ebenfalls sehr effizient arbeiten. Feinstaub durch das Fräsen der Schlitze entfällt, und auch die Leitungen werden in der Regel mit einfachen Spax-Schrauben fixiert – ohne langes Bohren und Dübeln. Die Arbeit mit und am Holz bringt allen Handwerkern auf der Baustelle eine enorme Erleichterung, was meines Erachtens auch zu einer insgesamt besseren Stimmung auf der Baustelle und somit einem erfolgreichen Ergebnis führt.

Mit Strohhut, Kompetenz und einem guten Auge für die wichtigen Details zum fertigen Wohnhaus. Bildquelle: H. Leucht

Apropos Stimmung: Holzhäuser gelten ja auch als „wohngesund“…

Martin Spiegl: Holz riecht gut und vermittelt ein angenehm wohliges Gefühl – und das nicht nur während der Bauphase, sondern erst recht, wenn das Haus dann einmal bewohnt wird. Im massiven Holzhaus werden, anders als beim Holzständerbau, keine Folien in den Wänden verbaut. Wenn man dann außen noch eine Dämmung aus Holzfaser aufbringt, bleibt man komplett im System Holz und profitiert von all seinen guten Eigenschaften. Eine Massivholzwand kann beispielsweise die Feuchte aus der Raumluft hervorragend aufnehmen, speichern und wieder abgeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Gebäude Schimmel bildet, sinkt bei Holz drastisch. Vielmehr entsteht ein sehr angenehmes Wohnklima – das ist die beste Basis für zufriedene, glückliche Bewohner.

H. Leucht: Bei unseren Projekten lasse ich Interessenten und Bauherren gerne mal in den Keller gehen, um einfach mal zu schnuppern. Die Kellerräume sind betoniert, da sie im Erdreich stehen, und die Zwischenwände aus Ziegel werden klassisch mit Mörtel gemauert. Es riecht relativ scharf nach Zement und „zwickt“ ein bisschen in der Nase. Anschließend gehen wir in eines der Obergeschosse und holen tief Luft. Es riecht nach Holz – eher weich und harmonisch. Holz trägt nachhaltig zu einer Atmosphäre des Wohlgefühls bei.

Wenn das Ensemble verputzt ist, erkennt das Auge später gar nicht mehr, dass es aus Holz gebaut ist. Bildquelle: H. Leucht

Wie definieren Sie „gute Architektur“?

H. Leucht: Gute Architektur ist unabhängig vom Baustoff. Der Mensch ist ja permanent von Architektur umgeben, ob er urban lebt oder eher ländlich. Entweder Sie gehen durch die Straßen, wo Sie die Architektur um sich herum beeinflusst, oder Sie befinden sich in einem Gebäude. Wenn Sie sich an beiden Orten wohlfühlen, dann sind Sie dort von guter Architektur umgeben.

Holz vom Erdgeschoss bis zum Dachstuhl. Zunehmend werden auch Mehrfamilienhäuser mit Holz gebaut. Bildquelle: H. Leucht

Was kann Holz als Baumaterial im Hinblick auf Energieeffizienz leisten?

M. Spiegl: Neben der CO2-Einlagerung hat Holz an sich ja schon einen guten Dämmwert. Die Wärmeleitfähigkeit liegt bei Fichte bei ca. 0,13 W/(mK). Bei Beton muss man hingegen mit 2,1 W/(mK) rechnen. In Kombination mit einer Holzfaserdämmung hat die Wand einen U-Wert von ca. 0,17 W/(m²K) bei einer Gesamtwandstärke von ca. 30 cm. Mit diesen Zahlen wird nicht nur für den Fachmann schnell deutlich, welches Material hinsichtlich seiner Energieeffizienz mehr leistet: natürlich(es) Holz!

H. Leucht: Vielen Menschen ist es nicht bewusst: Die Herstellung von Beton und Ziegeln verbraucht enorm viel Energie. Dazu kommen notwendige chemische Zusätze und nicht-regenerierbare Materialien. Gleichzeitig ist die Recyclingquote gering. Auch mit Blick auf diesen wichtigen ökologischen Aspekt ist Holz einfach eine gute Wahl.

Passgenau vorgefertigt, sorgfältigst verbaut – Holzbau in innovationsoffener Handwerkskunst. Bildquelle: H. Leucht

Begegnen Sie Vorurteilen, wenn es darum geht, ein Holzhaus zu bauen, statt auf massive Ziegel zu setzen? Wenn ja: Was halten Sie dagegen?

H. Leucht: Als wir angefangen haben, massive Holzhäuser zu planen und zu realisieren, gab es in der Tat Vorurteile. Bei der aktuellen Bauherrengeneration ist es da schon anders. Das Bauen mit Holz wird nun vermehrt und explizit nachgefragt. In der Novellierung der Bayerischen Bauordnung wurden Erleichterungen beim Holzbau aufgenommen und die KfW-Bank vergibt Förderkredite für nachhaltiges Bauen mit Holz.

M. Spiegl: Die Gesellschaft erkennt zunehmend die Vorzüge von Holzbau. Er ist schnell, ausgesprochen maßhaltig, ökologisch und zeitgemäß. Die Nutzungsdauer eines massiven Holzhauses entspricht bei ordentlicher Planung und Ausführung dem eines Ziegelhauses.

Massive Balken bilden den Dachstuhl. Auch hier kommt es auf Passgenauigkeit an. Bildquelle: H. Leucht

Der Bau geht also zügig voran. Wie dürfen wir uns die zeitlichen Dimensionen vorstellen?

H. Leucht: Durch die Verwendung großformatiger Wand- und Deckenplatten ist der Rohbau extrem schnell errichtet. Wir sprechen hier von wenigen Tagen – nicht Wochen oder gar Monaten. Da im Holzbau kaum bis kein Wasser verbaut wird, gibt es während des Baus keine Trocknungsphasen. Das spart erneut Zeit. Die schon angesprochene Möglichkeit der Bestellung von z.B. Fenstern in der Planungsphase wegen extremer Maßhaltigkeit der Bauteile kommt noch als weiterer Zeitvorteil hinzu.

M. Spiegl: Auch der Spruch „Zeit ist Geld“ greift hier. Wenn Sie in München mehrere Monatsmieten sparen können, weil Sie drei bis sechs Monate früher in Ihr Haus einziehen können, fällt die Küchenplanung, finanziell betrachtet, etwas leichter. Auch das ist für viele Menschen ein Benefit, der wirklich zählt.

Bei Holz sind alle Dachformen möglich – selbstverständlich inklusive Dachfenster. Bildquelle: H. Leucht

Inwiefern unterscheidet sich ein modernes Wohnhaus von 2021 aus Holz von alten traditionellen Bauernhäusern vergangener Jahrhunderte? Gab es wichtige Innovationen bei der Be- oder Verarbeitung des Materials oder der Konstruktion?

H. Leucht: Der moderne Holzbau ist sehr viel ressourcenschonender. Heute müssen nicht mehr 30 bis 50 cm dicke Bäume zum Blockhaus verarbeitet werden. Natürlich gibt es noch immer Fans von Blockbohlenhäusern. Bei unseren Bauprojekten verwenden wir allerdings Platten aus kreuzweise verleimten kleineren Brettquerschnitten, die aus kleineren Plantagenbäumen gewonnen werden können. Durch diese Art der Verleimung bzw. Konstruktion entstehen statisch betrachtet kleine Muskelpakete. Auf diese Weise kann eine Geschossdecke rechnerisch auch mal nur 12 cm dünn sein.


Traditioneller Holzbau in seiner Bestfom: In Norwegen kann man noch heute kunstvolle Sakralbauten aus Holz bestaunen, die aus dem Mittelalter stammen. Hier die Stabkirche in Heddal, die um 1240 errichtet worden sein dürfte und 20 Meter lang sowie 26 Meter hoch ist. Bild von Monika Neumann auf Pixabay

M. Spiegl: Wir Zimmerer setzen nach wie vor auf die Handwerkskunst und das Wissen der alten Baumeister, gehen aber technisch natürlich mit der Zeit. Heutzutage entstehen nicht nur kleinere oder mittlere Wohnprojekte aus Holz, sondern es werden auch große Hochhäuser in Holzbauweise realisiert, die hinsichtlich ihrer Architektursprache und Statik mit ihren Pendants aus Stein mehr als nur mithalten können. Holz hat also in keiner Weise ausgedient, sondern ist ein Baustoff, der eine ganze Menge an entscheidenden Vorteilen bringt, ohne dass der Architekt oder Eigentümer Abstriche machen muss. Wir sind offen für Innovationen – und unsere Bauträger, Bauherrn und die künftigen Käufer ebenfalls. Holz ist unsere materielle wie auch ideelle Basis, um lebenswerten, zukunftsfähigen Wohnraum zu schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Leucht und Herr Spiegl!

Heinz Leucht (links) und Martin Spiegl (rechts) an ihrer Baustelle in der Münchner Pasteurstraße.

Das Architekturbüro von Dipl. Ing FH Heinz Leucht ist im Münchner Stadtteil Moosach angesiedelt. H. Leucht steht Bauträgern und Bauherrn in allen Fragen rund um die Planung, Baubegleitung, Energieberatung, den Brandschutz und die Wertermittlung zur Seite. Vom kreativ geplanten Holzhaus bis hin zum Ziegelensemble plant er mit einem großen Fokus auf Effizienz, Ökologie und zukunftssicheren Wohnkomfort. Branchenkenner schätzen ihn als erfahrenen Experten für alle Leistungsphasen der HOAI, seine Bauherren als kompetenten, kundenorientierten und vorausschauenden Ratgeber – mit einer ansteckenden Begeisterung für den Baustoff Holz.

Martin Spiegl ist mit seiner Zimmerei, Dachdeckerei und Spenglerei im Münchner Stadtteil Allach ansässig. Was sein Vater Josef Spiegl vor mehr als 60 Jahren als Zimmerermeister begann, führt er heute mit einem stark erweiterten Leistungsportfolio fort. Seit 22 Jahren steht er mit seiner Firma Zimmerei/Holzbau Martin Spiegl in der Branche für zuverlässige, echte Wertarbeit. Das Leistungsspektrum des Teams reicht vom Bau von Dachstühlen und kompletten Holzhäusern über die Realisierung von Dachfenstern und Gauben, Vordächern, Gartenlauben und Pergolen bis hin zur Planung und Erstellung von Carports, Terrassen und Balkonen.

Holzbau – die innovative Zukunft ist schon da

Holz fasziniert auch Sie? Dann lesen Sie jetzt weiter in unserem Blogbeitrag über ROOTS – das neue Holz-Hochhaus in der Hamburger HafenCity. Ein außergewöhnliches Bauvorhaben, das neben Büroräumen und Gastronomie auch neuen, begehrten Wohnraum auf 19 Etagen bietet. Viel Vergnügen beim Lesen wünscht auch hier die Redaktion von neubau kompass

Das Titelbild stammt von H. Leucht.


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