Was ist wichtiger: Ein Neubau-Quartier in Top-Lage in einem sich architektonisch entwickelnden München oder die gute alte Tradition? Das ist die große Frage beim Paketpostareal nahe der Friedenheimer Brücke. Erfahren Sie in diesem Blog, was aktueller Stand ist und weshalb das Neubauprojekt in vielerlei Hinsicht für München etwas ganz Besonderes ist.
Sollten die beiden Hochhäuser, die die Silhouette der Stadt verändern würden, Wirklichkeit werden, käme der 17 Jahre alte Beschluss, im Stadtgebiet keine Hochhäuser höher als die Frauenkirche zu bauen, erstmals ins Wanken. Bislang setzten Münchens Stadtplaner eher auf die konsequent gepflegte Tradition, den Türmen der Frauenkirche, was die Höhe betrifft, nicht zu nahe zu kommen. Bei dem neu zu gestaltenden Paketpostareal nahe der Friedenheimer Brücke, in das die Unternehmensgruppe Büschl investiert, muss nun bald eine Entscheidung getroffen werden, was wichtiger ist: Wohnraum oder Tradition? Denn die Pläne des Schweizer Architekturbüros Herzog und de Meuron sehen vor, in den beiden Türmen Büros und Wohnungen zu errichten. In die oberen Etagen können Gastronomie und kulturelle Einrichtungen einziehen, auch ein Hotel. Eine große Aussichtsplattform ist ebenfalls vorstellbar – mit wunderschöner Aussicht über die Dächer der Stadt.
Morgens in München: zwei Ballons für zwei Hochhäuser
Sind zwei Hochhäuser in München, die über die Türme des Wahrzeichens so hoch hinauswachsen, in diesem ohnehin dicht besiedelten Ortsteil der Stadt wünschenswert und denkbar? Vorstellbar jedenfalls wurde das ein bisschen bei einer spektakulären Aktion, die gerade erst Ende September von sich reden machte. Zwei Höhenballons mit jeweils 4 Metern Durchmesser stiegen von dem 87.000 qm großen Postareal an einem Morgen auf und wurden mittels Seilen und Umlenkrollen an einem Fahrzeug festgezurrt, um so in 155 Meter Höhe in Position zu bleiben. Die Ballons simulierten bei der Aktion jeweils die südliche Ecke der Hochhäuser in dem Abstand, in dem auch die Gebäude errichtet werden sollen. Mit 4 Kilometern Entfernung zu den Kirchtürmen konnten die Münchener nun einen ersten Eindruck gewinnen, wie sich die Hochhäuser auf die Skyline der Stadt auswirken werden. Bevor Pläne in trockenen Tüchern sind, gibt der Planungsausschuss der Stadt allerdings noch eine weitere sogenannte Hochhausstudie in Auftrag. Das Architekturbüro Herzog und de Meuron hat derweil noch einmal an seinen Entwürfen gearbeitet und die Türme so „gedreht“, dass ihre filigrane Formensprache mehr in den Vordergrund rückt. Ergänzt wurden zwei Schrägaufzüge an der Außenfassade. Die Türme wirken nun, gebaut mit viel Glas, schick und schlank.
Paketposthalle: ein Zentrum für Veranstaltungen
Zwar würden die beiden Hochhäuser das neue Viertel optisch prägen, aber ein zweiter wichtiger Baustein im Süden von Neuhausen und damit das Zentrum des neuen Quartiers ist die Paketposthalle mit ihrer allerseits bekannten kühn geschwungenen Dachkonstruktion. Das Gebäude, in dem jetzt noch die Postwagen ein- und ausfahren, wurde ganz früher als Paketbahnhof genutzt und war damals bekannt als die größte freitragende Betonfertighalle weltweit. Mit ihrer stattlichen Größe von 19 000 qm soll sie das Zentrum des neuen Quartiers bilden. Investor Ralf Büschl hat Visionen: „Wir möchten keine dunkle stille Halle, sondern Leben in die Halle bringen. Die Halle hat Kraft.“
Mit dem Architektenbüro, das den Masterplan für die große Fläche erstellt, könnte die seit 1996 unter Denkmalschutz stehende Halle zu einer Fläche für Kultur, Konzerte, Kontakteknüpfen werden – mit einer 120 Meter langen Überdachung. Nach derzeitigen Zeichnungen würde die Halle auch visuell mit den beiden Türmen harmonieren, denn sie nimmt die geometrische Gestaltung der beiden Hochhäuser auf.
1000 Wohnungen – 3000 Arbeitsplätze
Mit der Paketposthalle im „Zentrum“ entstehen nach den bisherigen Planungen weitere sechsstöckige Gebäude – für Wohnungen und gewerbliche Flächen und Gastronomie. Und Gassen, die die Gebäude miteinander verbinden. Alles in allem geben dann rund 1000 Wohnungen neuen Lebensraum, Büros rund 3000 neue Arbeitsplätze. All das ist eingebunden in kleine Straßen, die autofrei gehalten werden. Geparkt und angeliefert wird unter der Erde.
Der Punkt „Nachhaltigkeit“ ist sicher auch ein wesentlicher, der bei der Bürgerbeteiligung zur Sprache kommen wird. Photovoltaikanlagen sind auf den Dachflächen vorgesehen, die gemeinschaftlich genutzt werden sollen und eine Begrünung erhalten.
Bürgerbeteiligung: Was braucht die Stadt?
Aber: Was wollen die Münchener? Dass die Stadt ihre Bürger ernst nimmt, wird sich nun wieder einmal in den nächsten Wochen und Monaten zeigen: Ein Bürger*innengutachten sorgt für eine rege Beteiligung der Münchener an den Planungen des Postareals. Um die 100 zufällig aus dem Melderegister der Stadt ausgewählte Bürger werden aufgefordert, sich mit den verschiedenen Aspekten des Stadtquartiers zu befassen. Eingeteilt in vier Gruppen, geht es um Themen wie die Hochhäuser, aber auch um die Nutzung freier Flächen, um zu sehen: Was verstehen die Münchener unter einem lebenwerten neuen Viertel, das ja ein Teil ihrer Stadt sein wird?
Dass der Wind in dieser Diskussion rauer wird, steht außer Frage. Unter dem Namen „Hochhausstopp“ haben sich einige Bürger zusammengeschlossen, um ein Bürgerbegehren gegen den Bau der Türme zu starten.
Nun bleibt abzuwarten, wie die Münchener zu dem neuen Stadtquartier stehen und was ihre Wünsche sind. Fest steht: Die Büschl Unternehmensgruppe hat das Areal im Jahr 2018 bereits von der Stadt erworben, bis 2023 bleibt auch die Post an Ort und Stelle und muss dann einen neuen Wirkungsstandort für ihr Briefverteilungszentrum finden. Theoretisch könnten die Bauarbeiten nach dem Auszug der Post im Jahr 2024 beginnen. Wie sehr sie an den Wolken kratzen, bleibt abzuwarten.
Während die Diskussion um die topmodernen Hochhaustürme im geplanten Neubau-Quartier immer neue Facetten bekommt, entstehen weitere spannende Bauvorhaben im gesamten Stadtgebiet. Zum Beispiel die edlen Stadtvillen in der Steirerstraße in Obermenzing.
Finden Sie dieses und weitere Neubauprojekte auf dem neubau kompass.
Text: Andrea Hunkemöller
Titelbild: Herzog & de Meuron