Interview mit Jeanette Neidhardt-Rosenberger: Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie

Interview mit Jeanette Neidhardt-Rosenberger: Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie

Du möchtest deine Immobilie in einen Wohlfühlort verwandeln? Diesem Thema widmet sich Jeanette Neidhardt-Rosenberger, Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie. Bühne frei für inspirierende Ideen und praktische Tipps für dein Zuhause!

Porträt von Jeanette Neidhardt-Rosenberger, Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie aus Stuttgart.

Jeanette Neidhardt-Rosenberger

Jeanette Neidhardt-Rosenberger ist Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie aus Stuttgart. Seit über 30 Jahren hilft sie ihren Kunden, individuelle Wohnräume zu gestalten. Mit einem tiefen Verständnis für Interior-Design kombiniert sie Licht, Möbel und Farben für ein harmonisches Raumkonzept.

Nachdem du die perfekte Immobilie auf neubau kompass gefunden hast, wartet diese darauf, ein echter Wohlfühlort zu werden. In unserem Interview verrät dir Jeanette Neidhardt-Rosenberger, wie du in deinem neuen Zuhause eine harmonische Atmosphäre schaffst.

neubau kompass
Sie befassen sich in Ihrer Arbeit intensiv mit der Frage, wie unsere Umgebung unser Wohlbefinden beeinflusst. Könnten Sie uns zu Beginn erklären, welche Grundprinzipien bei der Gestaltung von Wohnräumen wichtig sind, um eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

Aus Sicht der Wohnpsychologie geht es bei der Gestaltung unserer Wohnräume darum, dass wir uns diese nach unseren Wohnbedürfnissen gestalten. Hierfür ist es allerdings notwendig, dass wir diese auch kennen und uns damit auseinandersetzen – in der Wohnpsychologie gibt es sechs Wohnbedürfnisse: Sicherheit, Erholung, Gemeinschaft, Repräsentation, Ästhetik und das Selbstgestalten der Umwelt. Das wohl Wichtigste ist das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, wenn wir an unsere Wohnräume denken. Denn wenn wir uns nicht sicher fühlen, können wir uns auch in unserem Zuhause nicht entspannen und vom Alltag erholen. Die Gestaltung der Wohnung ist dann ein Zusammenspiel von Farben, Materialien, Anordnung der Möbel, Licht und dem positiven persönlichen Bezug zu den Dingen, die uns umgeben und uns guttun.

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Gibt es bestimmte Materialien und Farben, die Sie für das Schlafzimmer oder den Wohnbereich empfehlen?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

Beim Schlafzimmer stehen die Erholung und der gute Schlaf im Vordergrund. Und wenn wir uns jetzt überlegen, was wir hierfür benötigen, dann ist es doch eine Stimmung, die uns entspannen, zur Ruhe kommen und Abstand vom Alltag bekommen lässt. Und wenn man sich das bewusst macht, dann ist ganz klar, dass der Arbeitsplatz und auch die Bügelwäsche im Schlafzimmer eigentlich nichts verloren hat. Ordnung, freie Fläche, weiche Materialien (z.B. ein weicher Teppichboden), nach unten gerichtetes Licht und Naturfarben – sodass wir beim Betreten dem Körper signalisieren, „jetzt darfst du entspannen“.

Gemütliches Schlafzimmer mit brauner Akzentwand, einem weißen gepolsterten Bettkopfteil, brauner Bettwäsche, einem weißen Nachttisch mit Lampe und Blumen sowie einem modernen Holz-Kleiderschrank.
Naturfarben und warmes Licht helfen dem Körper, sich auf die Schlafenszeit einzustellen. © M&W Studios / Pexels

Das Wohnzimmer hingegen darf auch etwas anregender gestaltet sein, wobei dies natürlich auch ein Raum zum Entspannen ist, aber auch, um sich mit der Familie oder mit Freunden zu treffen. Hier darf man optisch gerne etwas mutiger sein.

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Viele Menschen arbeiten mittlerweile regelmäßig von zu Hause aus. Wie kann man das Home Office so gestalten, dass es die Produktivität fördert?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

Unternehmen geben viel Geld aus, um ihren Mitarbeitern gut gestaltete Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Und genau dieses Prinzip darf man auch zuhause anwenden. Wobei die Themen Wohnen und Arbeiten möglichst optisch und räumlich getrennt gestaltet werden sollten. Ideal ist natürlich ein separates Arbeitszimmer, wenn es dies jedoch nicht gibt, sollte der Arbeitsplatz doch sichtbar und spürbar vom Wohnbereich getrennt sein. Dies kann z.B. durch einen Raumteiler geschehen, durch farbige Wandgestaltung oder den Wechsel des Bodenbelags. Ebenfalls hat ein Arbeitsplatz auch andere Anforderungen an die Beleuchtung. Wichtig ist, dass man ganz klar Arbeiten und Wohnen trennen kann, um auch abends und am Wochenende den notwendigen Abstand zu bekommen. Nur dann ist man auch produktiv.

Mann sitzt entspannt auf einem Bett, spricht am Telefon, arbeitet mit einem Laptop und hat ein Notizbuch aufgeschlagen – ein Beispiel für Homeoffice im Schlafzimmer.
Work-Life-Balance beginnt im Schlafzimmer: Nutze dein Bett ausschließlich für Erholung und Schlaf. © Arina Krasnikova / Pexels
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Welche Arten von Licht – natürliches oder künstliches – wirken sich besonders positiv auf die Stimmung aus? Haben Sie Tipps, wie man Licht optimal einsetzt, gerade in Räumen mit wenig Tageslicht?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

In Räumen mit wenig Tageslicht ist die Lichtqualität im Raum sehr wichtig. Für eine gute Atmosphäre sorgen unterschiedliche Lichtquellen in Form von Deckenleuchte, Leseleuchte, Arbeitsplatzleuchte und Akzentleuchte. Mit entsprechenden Tageslichtleuchten, welche sich unserem biodynamischen Tagesrhythmus anpassen, kann man auch etwas für seine Gesundheit tun. Diese Leuchten passen sich der Lichtqualität des Tages an, was sich positiv auf unseren Hormonhaushalt auswirkt. So verhindert „kaltes Licht“ mit über 4000 Kelvin, dass sich unser Schlafhormon Melatonin bildet – somit sind wir wach und konzentriert. Und abends signalisiert „wärmeres“ Licht, also unter 3000 Kelvin, unserem Körper, dass es Zeit für die Nachtruhe ist.

Nachttisch aus Holz mit einer warm leuchtenden Lampe und einer Schale mit Dekor-Elementen.
Warm leuchtendes Licht im Schlafzimmer signalisiert unserem Körper, dass es Zeit für die Nachtruhe ist. © Osmany Mederos / Pexels
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Bemerken Sie bei Wohn- und Einrichtungstrends Unterschiede zwischen den Vorlieben von Männern und Frauen? Gibt es Farbpaletten, Raumaufteilungen oder Stile, die tendenziell eher bei einem Geschlecht beliebt sind, oder haben sich diese Unterschiede in den letzten Jahren vielleicht sogar angeglichen?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

Man kann in der Regel sehen, ob es eine Wohnung eines Mannes oder einer Frau ist. Eine „Männerwohnung“ ist oftmals durch Technik (TV/Stereo/Computer) geprägt. Auch sind hier gerade Linien zu finden, oftmals ist die Farbpalette in schwarz-weiß-grau gehalten. Wenn man in der Stil-Sprache spricht, bevorzugen viele Männer den Industrial-Style. Aber wie gesagt, auch hier gibt es Ausnahmen.

Minimalistisches Zimmer mit einem Designerstuhl aus Holz und Leder als Symbol für eine schlichte Männerwohnung.
Männer bevorzugen oftmals schlichte Designs in schwarz-weiß-grau. © cottonbro studio / Pexels

„Frauenwohnungen“ sind oftmals viel sinnlicher gestaltet – mit weichen Materialien und Formen und auch der Mut zur Farbe ist hier zu finden. Auch darf hier die Dekoration mit Bildern, Kissen und Licht nicht fehlen. Doch wohnen jetzt Mann und Frau zusammen, ergibt sich eine schöne Mischung, wenn sich beide in der Wohnungsgestaltung wiederfinden. Und gerade das ist das Spannende, dass sich Gegensätze auch gut ergänzen können.

Bequeme Couch mit Laptop, Tasse und Notizbuch – eine Atmosphäre für kreatives Arbeiten oder Entspannung.
Frauen setzen mit kräftigen Tönen ein Statement in der Einrichtung. © Mikhail Nilov
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Gibt es bestimmte Wohntrends oder Ansprüche, die heute im Vergleich zu vor zehn Jahren stärker in den Vordergrund gerückt sind?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

In den letzten Jahren ist der Nachhaltigkeitsgedanke auch bei den Wohntrends angekommen. Es wird mehr Wert auf Langlebigkeit, die verwendeten Materialien und Qualität gelegt. Ebenfalls dürfen Möbel heute eine schöne zeitlose Form haben, sodass man sie lange „sehen“ kann. Zudem ist es Trend, keine zu großen Möbel oder Einbauten anzuschaffen, da die geforderte berufliche Flexibilität oftmals mit einem Wohnungswechsel zu tun hat und dann alle Möbel möglichst einfach mitgenommen werden können. Ein weiterer Trend ist, dass heute die Einrichtung nicht mehr aus einem Guss sein muss – sondern hier dürfen Erbstücke oder Flohmarktfunde neben Designermöbeln ihren Platz haben. So wie man heute beim Discounter und beim Feinkostladen einkauft, so bunt gemischt darf inzwischen auch die Einrichtung sein.

Gemütliches Wohnzimmer mit einem großen Spiegel, einem Rattansessel, Pflanzen und einem Holz-Fernsehschrank mit Smart TV.
Moderne Einrichtung wird immer häufiger mit antiken Objekten kombiniert. © Charlotte May / Pexels
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Minimalismus hat in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Wie finden wir die Balance zwischen minimalistischer Ästhetik und einem gemütlichen, einladenden Zuhause?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

Minimalistisch zu wohnen ist ein schöner Trend. Haben wir doch alle viel zu viele Dinge um uns herum. Um jetzt wieder aus dem Blickwinkel der Wohnpsychologie zu sprechen, sind wir täglich so vielen Informationen und Reizen ausgesetzt, sodass wir tatsächlich den Wunsch und das Bedürfnis verspüren, in unserer Wohnung Ruhe zu finden. Ruhe für unseren Blick, Ruhe für unsere Ohren und Ruhe vor all den sonstigen Reizen aus der Welt von Smartphone und Co. Und es ist definitiv möglich, minimalistisch und ästhetisch zu wohnen – mit schönen Materialien an Wand, Decke und Boden sowie ausgesuchten stimmigen Möbeln, Licht und wenig Dekoration, sodass sich unsere Sinne zuhause gut erholen können.

Minimalistisch eingerichtetes Wohnzimmer mit einer braunen Couch, einem Fernseher an der Wand und eleganter Holzverkleidung.
Minimalismus als Wohntrend: Weniger Deko, mehr innere Ruhe. © Max Vakhtbovycn / Pexels
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Im Laufe des Lebens verändern sich unsere Wohnbedürfnisse – sei es durch das Älterwerden oder wenn die Familie wächst oder schrumpft. Wie kann man sein Zuhause so planen und gestalten, dass es flexibel bleibt und sich an solche Veränderungen anpasst?
Jeanette Neidhardt-Rosenberger

Wohnen ist ein sich ständig wandelnder Prozess, der sich unserem Leben anpassen darf. Wenn wir eine Familie haben, brauchen wir mehr Platz und wenn die Kinder ausgeflogen sind, sind auf einmal Zimmer leer, die im Alter mehr Ballast als Freude sind. Heute achtet man mehr darauf, Einfamilienhäuser so zu planen, dass sie später ohne großen Aufwand in zwei Einheiten geteilt werden können. Oder es bleibt das Familienhaus und wird den Kindern übergeben und die Eltern ziehen sich in eine altersgerechte Wohnung zurück. Doch für diese Veränderungen muss man offen sein und deshalb rate ich, sich gedanklich möglichst früh damit zu beschäftigen, welche Wohnungsveränderungen möglich wären. Oftmals ist auch das „Verkleinern“ im Alter eine Entlastung, welche für den Lebensabschnitt die nötige Lebensqualität verbessert.

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Herzlichen Dank für das Gespräch!
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Janek Müller

Janek Müller ist ausgebildeter Redakteur mit einer Leidenschaft für technische Themen. Durch sein Auslandsstudium in Südafrika mit Schwerpunkt auf Medien und Kommunikation, seine redaktionelle Ausbildung bei einem IT-Verlag… Janek Müller ist ausgebildeter Redakteur mit einer Leidenschaft für technische Themen. Durch sein Auslandsstudium in Südafrika mit Schwerpunkt auf Medien und Kommunikation,… Janek Müller ist ausgebildeter Redakteur mit einer Leidenschaft für technische Themen. Durch sein Auslandsstudium in Südafrika mit Schwerpunkt auf Medien und Kommunikation, seine redaktionelle Ausbildung bei einem IT-Verlag in München sowie ein Fernstudium… Janek Müller ist ausgebildeter Redakteur mit einer Leidenschaft für technische Themen. Durch sein Auslandsstudium in Südafrika mit Schwerpunkt auf Medien und Kommunikation, seine redaktionelle Ausbildung bei einem IT-Verlag in München sowie ein Fernstudium…

Title Image:   © Prostock-Studio / iStock

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