Entspannung am Immobilienmarkt: Catella-Experte rechnet mit weiterer Leitzinssenkung

Um die Fragen klar zu beantworten: ja, weitere Entspannung, Boom, nein. Es ist der Beginn der Entspannung, was die sogenannte Marktpsychologie betrifft seit der ersten Zinssenkung. Was allerdings klar sein muss: Ein Zurück zu den Zeiten und Werten von 2021 wird es mit Blick auf die kommenden 3 Quartale nicht geben. Wer aktuell nicht verkaufen muss, wird dies auch in den kommenden Monaten nicht tun.

Ich erwarte aber auch einen rationaleren Umgang auf der Verkäuferseite mit Preisvorstellungen; es heißt, Abschied zu nehmen von den Erwartungen eines Preisniveaus aus 2021. Hier haben sich Verkäufer und Käufer schon weiter angenähert in den vergangenen 6 Monaten. Allerdings werden die Transaktionen und Investitionen im Jahr 2025 dann messbar zunehmen – Kapital ist ja grundsätzlich verfügbar und die Nachfrage in fast allen Assetklassen sehr hoch, vor allem Wohnen und Logistik.

Hier sind sich Österreich und Deutschland ja sehr ähnlich – erst eine deutliche Zurückhaltung seit der Zinssteigerung bzw. dem Ukrainekrieg – mit den Effekten: Nachfragestau. Solange die Tagesgeldkonditionen aber über bzw. pari zur Verzinsung einer z.B. Wohnimmobilie liegen, werden nur die sogenannten „Häuslebauer“ investieren (müssen). Der klassische Kapitalanleger in Klagenfurt, Krems (Anm.d.Red.: beides in Österreich) oder Freiburg hält sich weiter zurück.

Letztlich sind die beiden maßgeblichen Stellschrauben, wodurch Kosten gesenkt werden könnten, bei Bauträgern zum einen das Material, zum anderen die Lohnkosten. Bei den Baumaterialien hat es seit Herbst 2023 schon eine gewisse Entspannung gegeben – auch infolge des allgemeinen Inflationsrückgangs.

Bei den Lohnkosten ist es genau andersherum: Die hohen Lohnabschlüsse der vergangenen Woche zeigen, dass die Gleichung der sinkenden Neubaupreise erst einmal nicht aufgeht. Im Umkehrschluss heißt das: Neubau wird, wenn es überhaupt zum Bau kommt, nicht signifikant günstiger. Ich erwarte hier deshalb einen stärkeren Fokus auf Umbaumaßnahmen sowie Sanierungen als Geschäft für die Bauträger.

 „Schnäppchen“ lediglich im Segment, Baualtersklasse 1970er, Heizöl im Keller, Sanierungsstau. Mit anderen Worten: bei neuen Gebäuden lediglich, zum Beispiel bei Scheidungen oder Zwangsverkäufen. Man darf auch nicht vergessen, dass 2024 durch die zehnjährige Spekulationsfrist dann Objekte von Kapitalanlegern aus 2014 auf den Markt kämen (Anm.d.Red.: Steuerfreier Verkauf ist jetzt ohne Einkommensteuer möglich). Gegebenenfalls lässt sich in Einzelfällen aber über den Preis reden. Die sogenannte Prolongationswelle (Anm.d.Red.: Bei einer Prolongationswelle endet für sehr viele Immobilieninvestoren die Vertragslaufzeit ihrer Darlehen; diese können entweder verlängert oder bei Unstimmigkeit unter den Vertragspartnern planmäßig beendet werden.) erwarte ich aber erst zwischen 2027 und 2029.

Grundsätzlich läuft es hier synchron mit der europäischen Entwicklung: kaum Neubau infolge hoher Zinsen, Kapitalanleger halten sich noch zurück.

Ja, und diese erwarten wir auch bis Ende des Jahres noch mindestens 1 Mal. Die „Attraktivität“ von Tagesgeld oder Festverzinslichen muss deutlich unter der Immobilienrendite liegen. Aktuell – je nach Anlagezeitraum – 2,75 % bei Festgeld, Wohnimmobilien rentieren sich im Schnitt auf ähnlichem Niveau.

Die Bauzinsen sind schon seit Anfang 2024 gesunken, was weiterhin fehlt, ist das Vertrauen in die ökonomische und politische Stabilität in den kommenden Jahren – Stichwort: Europawahl und Rezession.

Da Banken im Wettbewerb stehen, wird sich ein Marktniveau schneller finden als in der Vergangenheit. Das heißt, es wird eher ein Wert sein zwischen 2 und 3 %, als ein 0,9 % Hypothekenzinssatz wie in 2021 (Anm.d.Red.: aktuell 3,9 bis 4,2 %).

Ich denke, die „bleierne Zeit“ des Abwartens neigt sich dem Ende zu. Aber wie gesagt, die deutliche Mehrzahl wartet erst einmal ab. Neben der rein ökonomischen Perspektive ist die Verunsicherung in Deutschland zum Thema „Wärmepumpe“ weiterhin zu spüren.

Aktuell erwarten wir mindestens eine weitere Zinssenkung im Jahr 2024. Warten wir aber auch mal den Ausgang der US-Wahl im November ab (Anm.d.Red.: damit verbundene mögliche Änderungen des US-Leitzinses durch die Fed) und die Wirkungen der sogenannten Lohn-Preisspirale auf die Inflation (Anm.d.Red.: in Deutschland und Österreich).

Neben dem Blick auf die klassischen Zahlen braucht es mehr Vertrauen in die politische und ökonomische Perspektive in beiden Ländern. Vom wieder boomenden Tourismus allein können wir nicht auf Dauer leben.

Wenn es sich nicht wirklich um ein sogenanntes individuelles Schnäppchen handelt, würde ich noch abwarten, wenn ich nicht zu den besonders Mutigen, sprich Risikobereiten, gehöre und erst einmal auf dem Tagesgeldkonto parken – das heißt aber auch, dass Anfang 2025 bei einer weiteren Zinssenkung der Run auf Immobilien wieder deutlich losgeht.