Auf dem Gelände der ehemaligen IBM-Zentrale in Stuttgart-Vaihingen – bekannt als Eiermann-Campus – sollen im geplanten Garden Campus rund 1.400 Wohnungen bis 2025 entstehen. Neu ist der alleinige Investor des Quartiers: die SSN Group. Denn bislang war die Gerchgroup mitbeteiligt. Jetzt betreibt die SSN Group das zweitgrößte Neubau-Projekt Stuttgarts alleinständig weiter. Aktuell sorgt eine Machbarkeitsstudie der Stadt Stuttgart für Aufsehen.
- Investor kommt aus der Schweiz
- Zusammenarbeit zweier Architektur-Büros
- Referenzen: Medienbrücke München und BMW Welt
- Siegerentwurf mit drei markanten Merkmalen
- Schleifenhaus vereint Wohnen und Lärmschutz
- Problem in Gestaltung verwandelt
- Größtes Neubau-Projekt Stuttgarts: Rosensteinviertel
- Machbarkeitsstudie: Luftseilbahn für Garden Campus?
Der Eiermann-Campus diente von 1972 bis 2009 als Hauptsitz für die IBM Deutschland GmbH, bis das IT-Unternehmen in das nahegelegene Ehningen im Landkreis Böblingen umzog. Nach dem Auszug von IBM (International Business Machines Corporation) standen die Gebäude leer. Zur Revitalisierung des Areals wurde 2013 das „Eiermann-Kolloquium“ ins Leben gerufen. Dieses kam zu dem Fazit, dass durch eine Neubebauung der Ausgleich der hohen Investitionskosten zur Erhaltung der denkmalgeschützten Bestandsgebäude ermöglicht werden könne, fasst die Carden Campus-Projektwebseite zusammen.
Die Architektenkammer Baden-Württemberg schreibt über den Eiermann-Campus des 1970 verstorbenen Architekten Egon Eiermann, dass das Bauwerk wegen seiner beispielhaften baulichen Qualität der Anlage bedeutend für die Nachkriegsarchitektur ist. Die vier Gebäude des Eiermann-Campus bleiben erhalten und werden durch weitere Bauelemente in dem neuen Garden Campus ergänzt.
Auch an einer anderen Stelle Stuttgarts prägte der Architekt Egon Eiermann das Stadtbild: Mit seinen „Hortenkacheln“ in der Altstadt, auf die ein in der Nachbarschaft entstehender Neubau in der Stuttgarter Innenstadt in der Eberhardstraße 18-22 Rücksicht nehmen muss.
Investor kommt aus der Schweiz
Seit Frühjahr 2018 ist die SSN Group AG aus Zug in der Schweiz der alleinige Investor des Garden Campus, teilt das Unternehmen in einer Mitteilung vom Juli 2018 mit. Weiter ist zu lesen, dass die bisherige Zusammenarbeit zwischen der SSN Group und der Gerchgroup AG aus Düsseldorf von beiden Unternehmen einvernehmlich für beendet erklärt wurde. Die restlichen Anteile von einem Prozent wurden von der SSN Group übernommen. Im Rahmen der Kooperation sei im April 2017 das Joint Venture SG Development entstanden, in dem sämtliche Entwicklungen der Gerchgroup gebündelt waren. Seit dem Zukauf der Projekte hat die SSN Group die neun übernommenen Projektentwicklungen – eines davon ist der Garden Campus Vaihingen – in Eigenregie weiterentwickelt. Das Unternehmen plant, alle Projekte zur Baureife weiterzuentwickeln und eigenständig zu realisieren.
Für das Bauvorhaben Garden Campus listet die SSN Group eine Bruttogeschossfläche von rund 200.000 m² auf. Der Baubeginn ist für 2020 vorgesehen. Fertig soll das Projekt 2025 sein. Die Gesamtinvestitionen beziffert die Schweizer Unternehmensgruppe mit 959 Millionen Euro.
Die SSN Group hat unter anderem die HUK-Coburg Arena realisiert. In der Ballsporthalle in Coburg werden zum Beispiel Handball- und Basketballspiele ausgetragen. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette rund um Immobilien umfassen die Leistungen der SSN Group beispielsweise: entwickeln, planen, bauen, betreiben und finanzieren. Im deutschen Markt ist die Gruppe mit sechs Tochterunternehmen aktiv. Dazu gehört der Anbieter von Sportimmobilien, die SSN Deutschland GmbH, die vom Standort Düsseldorf aus im Bundesgebiet agiert.
Nach Angaben der SSN Group rangiert die Gruppe laut der Bulwiengesa-Studie vom April 2018 auf dem siebten Platz der größten Projektentwickler in Deutschland.
Zusammenarbeit zweier Architektur-Büros
Aus dem Konzept für den städtebaulichen Ideenwettbewerb und Gutachterverfahren für den Carden Campus in Vaihingen gingen zwei Gewinner mit ihrem Siegerentwurf hervor, den sie in Zusammenarbeit erstellten: Die steidle architekten Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH und die realgrün Landschaftsarchitekten Gesellschaft von Landschaftsarchitekten und Stadtplanern mbH.
Referenzen: Medienbrücke München und BMW Welt
Die Architekten von steidle haben unter anderem in ihrer Heimatstadt die imposante Medienbrücke München mit Büros und Eventflächen im Werksviertel am Ostbahnhof entworfen. Aus der Projektbeschreibung der Architekten geht hervor, dass das Gebäude auf zwei Erschließungskernen aufgelagert über den Bestandsbauten auf einer sehr beengten Grundstücksfläche liegt: ein horizontales Hochhaus auf Stelzen. Eine weitere Referenz stellt das Olympische Dorf für die Winterspiele in Turin 2006 als „internationaler städtebaulicher Realisierungswettbewerb“ dar.
Olympisch ging es 1972 auch in München zu: Am Olympiapark, der zu den damaligen Olympischen Spielen angelegt wurde, liegt die BMW Welt. Die realgrün Landschaftsarchitekten aus der bayrischen Landeshauptstadt übernahmen gemäß den Anforderungen der Denkmalpflege die Aufgabe, die Erlebniswelt durch das Baumraster des umliegenden Parks in die Freiflächen des Ausstellungsgebäudes zu überführen und in das denkmalgeschützte Ensemble des Olympiaparks zu integrieren.
Siegerentwurf mit drei markanten Merkmalen
Neben den bisherigen realisierten Projekten können die Architekten nun ihre Expertise in Stuttgart unter Beweis stellen. Für Vaihingen sieht der von beiden Architektur-Büros zusammen konzipierte Siegerentwurf des Garden Campus drei prägnante Elemente vor, berichtet steidle architekten: ein Schleifenhaus, die vier Eiermann-Bauten und einen Waldpark mit See.
Die Eiermann-Bauten sollen von dem Schleifenhaus umrahmt werden. Der bisherige in das Areal integrierte Waldpark wird um eine Naturwasserfläche ergänzt und dient mit seinem Baumbestand als Anziehungspunkt für den neuen Garden Campus.
Schleifenhaus vereint Wohnen und Lärmschutz
Auf der Garden Campus-Projektseite ist zu erfahren, dass das Konzept ein Leitbild von Clustern aus urbanen, dichten Vierteln formuliert. Nach außen wirken sie geschlossen, innen entstehen großzügige, gemeinschaftlich nutzbare Freiflächen und Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität. Ein bemerkenswertes Detail ist das umlaufende Schleifenhaus. Dieses verbindet Wohnen und Lärmschutz. Denn das Grundstück grenzt an die Autobahn 81 Stuttgart-Singen. Anhand dieses Konzeptes soll der Bebauungsplan für den Garden Campus Vaihingen entstehen.
Problem in Gestaltung verwandelt
Bürgermeister und Dipl. Ing. Peter Pätzold aus dem Referat Städtebau und Umwelt der Landeshauptstadt Stuttgart, der selbst Architektur und Stadtplanung studierte und als angestellter und freier Architekt arbeitete, beurteilt den Entwurf von Steidle für das Schleifenhaus als herausragend. Es habe eine Problemlösung zum Gestaltungelement umgewandelt. Der Lärmschutz durch das Schleifenhaus sei innovativ gelöst und schaffe einen Mehrwert für die dahinterliegenden Flächen des Areals.
Auch Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) kommentierte das Neubau-Projekt: Der Stuttgarter Oberbürgermeister postete auf seiner Twitter-Seite, dass der Eiermann-Campus das größte Neubau-Projekt nach dem Rosensteinviertel sei. Das Projekt mit 1.400 Wohneinheiten sei ein wichtiges Signal für den Wohnungsbau in Stuttgart.
Größtes Neubau-Projekt Stuttgarts: Rosensteinviertel
Im größten Stuttgarter Bauprojekt Rosensteinviertel am Nordbahnhof entwickelt und realisiert zum Beispiel die Siedlungswerk GmbH Wohnungs- und Städtebau Eigentums- und Mietwohnungen. Nach Angaben von Siedlungswerk gehören zum künftigen Viertel der Pragfriedhof, die vorgesehenen Parkerweiterungen am Schlossgarten und am Rosensteinpark und die bestehenden Quartiere um das historische Nordbahnhofviertel sowie 60 Hektar Neubauflächen. 127 Wohnungen mit 2 bis 5 Zimmern seien bereits gebaut und ausverkauft, ist auf der Internetseite zu erfahren. Gleichzeitig kündigt das Wohnungs- und Städtebauunternehmen für den zweiten Bauabschnitt weitere 140 Eigentumswohnungen an. Diese sollen auf dem ehemaligen Staiger-Areal in Stuttgart-Rosenstein, Nordbahnhofstraße/Friedhofstraße, entstehen.
Rund drei Kilometer von den geplanten Eigentumswohnungen in der Nordbahnhofstraße/Friedhofstraße im Rosensteinviertel entfernt, entstehen aktuell 70 Eigentumswohnungen. Den Neubau „MAYLIVING“ am Killesberg in Stuttgart vermarktet die GIEAG Immobilien AG.
Machbarkeitsstudie: Luftseilbahn für Garden Campus?
Sieben Jahre sind es bis zur geplanten Fertigstellung des Garden Campus. In die Zukunft soll sich auch das vorgesehene Mobilitätskonzept für den Garden Campus Vaihingen ausrichten. Die Ideen dafür gehen aktuell weit über Carsharing und Ladestationen für E-Autos hinaus, an die viele zunächst denken würden – und zwar in die Höhe: Der Stuttgarter Ausschuss für Umwelt und Technik hat am 10. Juli 2018 die Ausschreibung für eine städtische Machbarkeitsstudie für eine Luftseilbahn beschlossen. Eine Haltestelle der vier angedachten Trassen: der Garden Campus.
Weitere Neubau-Projekte in Stuttgart finden Sie auf dem neubau kompass.
Titelbild: steidle Architekten / realgrün Landschaftsarchitekten