So ist es Brauch beim Hausbau

So ist es Brauch beim Hausbau

Jeder kennt den alten Brauch, die neuen Bewohner eines Hauses oder einer Wohnung zum Einzug mit Brot und Salz zu beschenken – oft auch mit dem Vers „Brot und Salz, Gott erhalt’s“. Der Schenkende wünscht den Bewohnern mit seiner Gabe Sesshaftigkeit, Wohlstand und Fruchtbarkeit. Heutzutage belächelt der eine oder andere solche „frommen Wünsche“. Fakt ist aber: Auf dem Bau wird althergekommenes Brauchtum von vielen Gewerken und Bauherrn noch aktiv gelebt, um gutes Gelingen für den Bau zu erbitten. Lesen Sie nun, welche Rituale es auf der Baustelle oder beim Einzug in eine Immobilie gibt.

Erster Spatenstich, Zwickelsetzen und Co.

Ist die Planung des Gebäudes abgeschlossen und die Baugenehmigung erteilt, werden feierlich der Erste Spatenstich und die Grundsteinlegung begangen. Doch gibt es auf dem Bau noch viele weitere Traditionen, die häufig schon im Mittelalter begangen wurden und auch jetzt noch Anwendung finden.

Der Erste Spatenstich erinnert an die Zeit, als eine Baugrube noch mühsam mit Schaufeln und Spaten ausgehoben wurde. Heute erledigen den Aushub freilich Bagger, so dass der Spatenstich, den Politiker, Bauherrn oder Architekten öffentlichkeitswirksam vornehmen, nur eine kleine Geste ist. Gerade beim Bau neuer Wohnquartiere erreichen der Erste Spatenstich und die Grundsteinlegung aber eine hohe Symbolkraft. Sie schwören den Bauherrn, die Architekten und die Vertreter der ausführenden Gewerke und Politik, aber auch die künftigen Bewohner und Nachbarn des Quartiers festlich auf das Projekt ein.


Dieter Becken, Geschäftsführender Gesellschafter der Becken Holding GmbH, bei der Grundsteinlegung zum prestigeträchtigen Neubauprojekt Hoch der Isar in München (2020). Bildquelle: Becken Holding GmbH

In den Grundstein wird das Baujahr oder das Datum der Grundsteinlegung eingearbeitet. In der Regel wird er an einer Stelle gelegt, an der er auch nach Fertigstellung des Baus gesehen werden kann. Seit langem ist es üblich, eine hohle Ausführung des Steins zu wählen. Auf diese Weise können eine Zeitkapsel, persönliche Gegenstände, ein Talisman oder Münzen mit eingebracht werden. Der Grundstein ist also der erste „Glücksstein“ auf dem Weg zum Zuhause. Der Bauherr schlägt innerhalb der Festlichkeit mit einem Hammer symbolisch auf den Stein. Damit ist der Grundstein gelegt.

Auch beim Gießen der Bodenplatte gibt es Glücksrituale. So werden dort, wo der künftige Hauseingang sein wird, Münzen in den frischen Beton gedrückt. Wird ein Familienhaus gebaut, verewigt sich die Familie oft mit Fuß- oder Handabdrücken in der Bodenplatte. Meist folgt dann ein Segenswunsch des Betonbauers, der für die künftigen Bewohner Glück und Reichtum mit sich bringen soll.


Auch ein liebevoll bemalter Stein eignet sich hervorragend als Glücksbringer für das Haus. Noch dazu ist es ein sehr persönlicher Talisman, der da in die Bodenplatte oder in den Grundstein kommt. Bildquelle: Hans Braxmeier auf Pixabay

Das Zwickelsetzen ist ebenfalls ein alter Brauch, der bis heute gepflegt wird – durchaus zum Vergnügen der Beteiligten. Wenn der Keller steht, darf der Bauherr den letzten Ziegel, also den „Zwickel“, in das Gewölbe einmauern. Klingt leicht und unkompliziert. Der Brauch will es aber, dass der Maurerpolier dies immer wieder sabotiert, indem er den Zwickel mit einer Latte herausstößt. Daraus entspinnt sich ein Dialog, der seit Jahrhunderten überliefert wird. Darin fragt der Bauherr dann den Polier um Rat, was er tun muss, damit der Zwickel endlich hält. Der antwortet, dass es an „Schmier“ fehlt. Brauchgemäß fragt der Bauherr nun, was und wer geschmiert werden muss. Antwort des Maurers: „Der Zwickel geht nicht hinein, also muss er geschmiert werden, und zwar mit Speck und Bier oder was sonst an Schmier im Hause ist!“ Nun gilt es also, mindestens Rauchfleisch, Speck und ein Fass Bier heranzuschaffen, damit der Zwickel endlich hält. Außerdem fließt seitens des Bauherrn oft ein ordentliches Trinkgeld. Tradition am Bau kann also auch Spaß machen und die Bäuche füllen.

Haustür-Segen und Richtfest

Religiös motiviert ist der Brauch, den Türstock der Haustüre im Innern gegen Unglück von außen zu „präparieren“ und mittels eines Segensspruchs den Einzug von Glück und Wohlstand zu begünstigen. Der jeweilige Segensspruch, Schutzzauber oder Bannspruch wird auf einen Zettel geschrieben. Dazu muss man wissen, dass man in alten Zeiten an eine Wortmagie glaubte, die mit der Verschriftlichung wirksam wird. Schriftzeichen wurden also damals zu Trägern wunderbarer Kräfte, um allerlei Übel abzuwehren oder Positives auszulösen. Nach einem ähnlichen Prinzip erfolgt die jährliche Segnung des Hauses durch die als Heilige Drei Könige verkleideten Ministranten, die in diesem Rahmen ihr „C + B + M“ und das Jahr auf den Türstock schreiben. Anders als viele Menschen denken handelt es sich dabei nicht um die Initialen der Könige, sondern um die Abkürzung von „Christus mansionem benedicat“, übersetzt „Christus segne dieses Haus“.


Hier sieht man die dänische Version des Richtfests. Auch dort gibt es prächtig geschmückte Kränze auf dem First, um den Bauabschnitt zu feiern. Bildquelle: PKS in der Wikipedia auf Dänisch

Auch beim Dachstuhl ist der Einsatz des Bauherrn gefragt: Er schlägt traditionell den letzten Nagel ein. Wehe, wenn der Nagel nicht gerade in das Holz geht, sondern krumm wird! Dann ist Unglück vorprogrammiert. Zum Glück kommt aber jetzt, mit der Fertigstellung des Dachstuhls, noch das Richtfest. Dazu werden alle Gewerke, der Architekt, die Familie bzw. die künftigen Hausherrn und die Nachbarn eingeladen. Zum Ritual gehört es, eine mit bunten Bändern verzierte Richtkrone, einen geschmückten Richtkranz oder einen Richtbaum auf dem Dachstuhl zu befestigen. Das macht der Zimmermann, und natürlich gibt es dazu einen klassischen Spruch:

„Zum Giebel bin ich hochgestiegen,
um hier zu reden mit Vergnügen.
Den Bauherrn und die lieben Seinen
und alle, die sich hier vereinen,
die Baugenossen und die Gäste
begrüße ich zu diesem Feste.
Dem Architekten, der zum Bau
den Grundriss hat erdacht genau,
dem Maurermeister, der sodann
das Werk mit sicherer Hand begann
sei heut ein volles Glas geweiht
mit Glück und Heil zu aller Zeit.
Nicht minder sollen die Gesellen,
die mit den Äxten und den Kellen
gezimmert und gemauert hier
ein Segenswort erlauben mir.

Prost!

Gott schütze dieses neue Haus
und alle, die da gehen ein und aus.
Er schütze auch vor dieser Tür
das Finanzamt und den Gerichtsvollzieher.

Prost!

Wenn nun das Glas in Scherben springt
noch einmal unser Gruß erklingt
hinaus mit Freude und Gebraus:
Glück und Segen diesem Neuen Haus!“

Das Werkzeug sollte besser nicht auf dem Dachstuhl liegen bleiben.
Ob das nicht auch Unglück bringen könnte?
Bildquelle: alluregraphicdesign auf Pixabay

Natürlich ist das eine feuchtfröhliche Angelegenheit – prost! – mit festen Regeln. Die leeren Gläser müssen auf den Boden geworfen werden und zu Scherben zerspringen. Nur dann stehen der weitere Hausbau und das Leben der künftigen Bewohner unter einem guten Stern. Wer sein Glas nicht gekonnt zerschellen lässt, trinkt einfach noch einmal ein Schnäpschen und folgt erneut dem Motto „Scherben bringen Glück“. Nach dem fröhlichen Trinken folgt der Richtschmaus, der bei einem rauschenden Fest natürlich auch nicht fehlen darf. Da darf der Bauherr einiges springen lassen, damit die Bäuche nach dem alkoholischen Vorlauf wieder im Gleichgewicht sind.

Geizige oder unfreundliche Bauherren erfuhren in alten Zeiten durchaus eine unangenehme Überraschung seitens der Zimmerer. Sie erblickten dann statt der erwarteten Richtkrone einen dürren, kaputten Besen auf dem Dachstuhl. Manchmal fand auch ein stinkender Fisch seinen Weg dorthin. Wir lachen über den Streich. Doch hatte er in früheren Zeiten, als man noch sehr viel abergläubischer war, durchaus Durchschlagskraft. Wer seine Bauleute schlecht behandelte, spielte mit seinem Glück bzw. hatte keine guten Wünsche zu erwarten. In einer Zeit der „bösen Blicke“, Bannsprüche und Flüche war diese Verweigerung, dem Bauherrn Glück zu wünschen, nicht ohne…

Brot und Salz: Die Gabe zum Einzug

Hochaktuell ist noch heute die Tradition, einem frisch verheirateten Paar beim Betreten des neuen gemeinsamen Heims Brot und Salz zu reichen. Dieser Brauch beschränkt sich natürlich nicht auf Hochzeitspaare, sondern ist auf alle Umzügler anwendbar. Die Botschaft: „Mögen diese beiden Grundnahrungsmittel im Haus niemals fehlen“. Sie stehen für Wohlstand und damit auch dafür, dass im Haus niemand jemals hungern soll. Wer bedenkt, dass Salz früher nur über die Salzstraßen geliefert wurde und durch die Zölle sehr teuer war, kann ermessen, wie viel diese vermeintlich einfache Geste damals bedeutete. Man überreichte ein wertvolles, sehr symbolträchtiges Geschenk.

Brot und Salz war früher eine Gabe von hohem Wert. Wer solch ein Geschenk machte, wünschte nicht nur Glück und Wohlstand, sondern trug auch sein Scherflein dazu bei. Bildquelle: photosforyou auf Pixabay

Hausinschrift – Zeugnis aus alter Zeit

Der nächste Brauch ist bei Neubauten eher selten zu erleben: die Hausinschrift. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war es aber besonders in ländlichen Gegenden noch gang und gäbe, an der Fassade, im Hausgiebel oder über der Haustüre eine Inschrift anzubringen. Auch damit legten die künftigen Hausherren eine rituelle Basis für den Schutz und das Glück aller Bewohner. Religiöse Familien hatten und haben zum Einzug oft den Pfarrer zu Gast, um die Räume segnen zu lassen – mit Weihwasser, das gemäß dem Volksglauben der Teufel scheut und böse Geister fernhält.

Ein solch prachtvoll gestaltetes Eingangsportal war nicht nur auf Schönheit angelegt, sondern sollte Unglück und böse Wesen fernhalten. Bildquelle: AnnaER auf Pixabay

Der Hausbaum als Glückssymbol

Auch der Brauch, einen „Hausbaum“ zu pflanzen, geht auf den Glauben an uralte Kräfte zurück. Er soll als Schutzbaum das Haus und seine Bewohner vor Unheil bewahren und Geborgenheit schenken. Traditionell stehen die Linde und die „treue“ Eiche für Gastfreundschaft und der Walnussbaum für Fruchtbarkeit, während die Kirsche als Symbol des Glücks gilt. Der Apfelbaum symbolisiert Liebe und Ehe, und die Eberesche, auch Vogelbeere genannt, steht als Lebensbaum für Kraft und Schönheit. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Bäume, die zur Pflanzung als Hausbaum geeignet sind. Das wichtigste ist in unseren Augen, dass ein Hausbaum Schatten spendet, aber das Haus oder Grundstück nicht komplett verschattet, später einmal Platz für eine Schaukel bietet – und vor allem gefällt.

Ein Apfelbaum bietet als Hausbaum mehrere Vorteile. Er ist Ausdruck der Liebe, begeistert im Frühjahr mit unzähligen duftenden Blüten und bietet Zwitscherlingen ein Zuhause. Bildquelle: Rudy and Peter Skitterians auf Pixabay

Von Rauch, Schall und zotteligem Haar

Gefallen finden immer mehr Menschen an einem alten Brauch, der von „Städtern“ über Jahre dem Bereich der Esoterik zugeordnet wurde: das Räuchern. Auf dem Land, vor allem in Bergregionen, wo noch viele alte Traditionen gelebt werden, ist der Brauch aber nie in Vergessenheit geraten. Stellen Sie an Weihnachten ein Räuchermännchen auf? Auch das ist eine Reminiszenz an die Rauhmänner aus der Mythologie!

Wenn die gruseligen Perchten sich auf den Weg durch die Dörfer machen, wird geräuchert. Denn dann, ab der Nacht zum 25. Dezember, ist die Zeit der 12. mythischen Rauhnächte. Jeder Tag dieser Zwölfnächte steht für einen Monat im Jahr und kennt seine eigenen Rituale. Die Menschen bleiben zuhause und bereiten sich darauf vor, das alte Jahr hinter sich zu lassen. Während draußen nach altem Volksglauben die „Wilde Jagd“ mit Frau Holle und Odin unterwegs ist – raue Unholde und haarige Dämonen, denen man besser nicht begegnet –, verhält man sich im Haus in dieser Zeit sehr still und lässt den Haushalt und die Arbeit ruhen.

Wehe dem, der den wilden Gesellen in die Hände fällt. Da kann es auch mal was auf den Hosenboden geben – zumindest ein gehöriger Schrecken gehört dazu, wenn man nicht Ruhe gibt und sich aus dem Haus wagt. Bildquelle: strichpunkt auf Pixabay

Zwar ruht in dieser Zeit die Arbeit, aber nun kommt ein wichtiges Ritual: Mit duftendem Räucherwerk wird das alte Jahr und alles, was an Negativem geschah, verabschiedet. Auf diese Weise entsteht neuer Raum für positive Energie. Alle Zimmer im Haus und gegebenenfalls auch die Ställe des Viehs werden mit dem Räucherwerk durchwandert. Wenn man alles richtig macht, kann man noch einige Tage danach den wohltuenden Duft von Weihrauch, Myrrhe, Sandelholz und anderen edlen Gewürzen, Harzen, Ölen und Kräutern genießen. Die alten Bäuerinnen und Bauern nehmen meist „Lichtpflanzen“, damit Helligkeit und Energie ins Haus und den Stall einziehen können. Salbei steht für Reinigung und Gesundheit, Holunderblüten für Reinheit und Klarheit. Wacholder soll die Lebensfreude und Kraft beflügeln und Rosmarin für Ausgeglichenheit sorgen, während die Königskerze als versöhnliches Element gilt und als Streitschlichter zum Einsatz kommt. Johanniskraut soll für Ausgeglichenheit sorgen, Fichten- oder Kiefernharz Ruhe und Zufriedenheit schaffen. Auch Orangenschalen kommen häufig zum Einsatz. Sie stehen für Frische und Reinheit.

Ein Gefäß aus Speckstein oder Metall? Erlaubt ist was gefällt und was Sie auf einem kleinen Tablett oder in der Hand durch Ihre Räume tragen können. Bildquelle: Anke Sundermeier auf Pixabay

Mit dem Spruch „Glück ins Haus – Unglück hinaus“ soll der Rauch reinigend wirken, Segen bringen, Schutz schenken, Platz für alles Neue schaffen und Wünsche zum Himmel hinauftragen. Wie genau das Räuchern betrieben wird, können Sie auf unzähligen Seiten im Internet oder in Anleitungen von fertigen Räuchersets nachlesen. Wir sind der Meinung: Man muss nicht spirituell veranlagt sein, um an dieser kleinen Zeremonie Freude zu haben. Allein schon die Düfte sorgen für positive Energie und gute Laune. Denken Sie allerdings nicht nur an Ihre Lieblingsdüfte, sondern auch an Ihre Rauchmelder. Die duftenden Nebelschwaden werden das alte Jahr sonst mit lauten Misstönen verabschieden…

In gesunder Holzbauweise entsteht das Holzpalais am Starnberger See. Rauchmelder sind auch hier nicht wegzudenken, denn sie sind inzwischen bei allen Wohnbauten in Deutschland Pflicht.
Bildquelle: EURA GmbH

Sicher haben Sie bei der einen oder anderen Passage gelächelt, denn manch alter Brauch rund um den Hausbau, den Einzug und das Leben in Immobilien mutet etwas aus der Zeit gefallen an. Aber sind nicht auch schöne Traditionen dabei, die man aktiv weiterleben lassen sollte? Auf dem Bau gelten ohnehin eigene Gesetze, denn viele Handwerker halten bis heute und zu Recht an ihren Bräuchen fest. Feste und Rituale sorgen für eine gute Stimmung am Bau und halten auch die (Bau)Gesellschaft zusammen. Um sie mitzutragen, muss man gar nicht immer die Wurzeln und Hintergründe kennen – obwohl es auch viel Spaß machen kann, sich damit zu beschäftigen. Wir raten Ihnen: Offen sein, mitfeiern, genießen! Dann zieht auf jeden Fall das Glück in Ihr Zuhause ein. Und wenn Sie nun auf den Geschmack gekommen sind, dann lesen Sie doch gleich einmal unseren Blogbeitrag zur Baubiologie. Ein Baubiologe kann helfen, Ihr Zuhause wohngesund zu gestalten und mit positiver Energie aufzuladen – und das ohne Hokus Pokus.

Das Titelbild stammt von User sreitzig auf Pixabay.


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