Das Berliner Schneller-Bauen-Gesetz: Potenzial für schnelles Wachstum

Das Berliner Schneller-Bauen-Gesetz: Potenzial für schnelles Wachstum

Am 20. August vom Berliner Senat auf den Weg gebracht, tritt das Berliner Schneller-Bauen-Gesetz jetzt den Weg in Richtung Abgeordnetenhaus an. Noch in diesem Jahr könnte es in Kraft treten und den Wohnungsbau in der Hauptstadt bahnbrechend beschleunigen. Worum es bei diesem Gesetz geht, erfährst du hier.

Berlin braucht viele neue Wohnungen: 20.000 Einheiten im Jahr sollen entstehen. Denn besonders Wohnraum zum moderaten Preis ist knapp geworden. Bauen ist in Berlin allerdings eine langwierige Angelegenheit. Oft dauert es viele Jahre, bis ein Genehmigungs- oder Ablehnungsbescheid im Briefkasten liegt. Der Berliner Senat hat am 20. August 2024 aus diesem Grund das Schneller-Bauen-Gesetz beschlossen. Noch in diesem Jahr könnte es in Kraft treten. Erfahre, was es damit auf sich hat, welche Vorteile es für Bauträger, Investoren und andere Bauherren und Bauherrinnen bringen wird und warum einzelne Aspekte des Gesetzes in der Kritik stehen. 

Wer Mitte der 90er-Jahre in Berlin studiert hat, konnte von erfreulich günstigen Mietwohnungen berichten. Es gab Studenten, die sich eine Altbauvilla in einem West-Bezirk zum Mietpreis von umgerechnet 500 Euro teilten.

Heute hält man diesen günstigen Mietpreis fast für ein Märchen. Doch war der Mietmarkt noch bis in die 2010er-Jahre durchaus mieterfreundlich. Damals zog man für einen Tapetenwechsel schnell mal um, weil das Mietangebot in der Stadt verlockend und nicht allzu teuer war. Jetzt überlegt man sich das genau. Bezahlbare, schöne Wohnungen sind rar geworden – und es kommen auch sehr viel weniger neue Immobilien nach, als gebraucht werden.

3 Radfahrer am Ufer der Spree in Berlin.
Bild: pixabay/Michael_Luenen

Schneller-Bauen-Gesetz: Teil des Koalitionsvertrags von Schwarz-Rot in Berlin

Die Bodenpreise sind deutlich teurer geworden. Ein Grund könnte aber auch folgender Umstand sein: Vom Grundstückserwerb bis zum Abschluss des Bebauungsplan-Verfahrens 2022 gingen in Berlin laut einer vom BFW Berlin/Brandenburg in Auftrag gegebenen Studie im Schnitt zehn Jahre ins Land. Diese Tatsache beschäftigt auch die Stadtväter und -mütter Berlins, den Berliner Senat. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Berliner Regierung, die seit 2023 im Amt ist, wurde das Ziel verankert, dass in der Hauptstadt jährlich 20.000 neue Wohnungen entstehen sollen. Der Vertrag wurde mit „Das Beste für Berlin“ überschrieben und wurde für die Zeit von 2023 bis 2026 ausgefertigt. Ein Ziel darin ist, Berlin für private Bauherren und für Investoren attraktiv zu machen.

Mit dem Beschluss zu einem Schneller-Bauen-Gesetz, das ebenfalls Teil des Berliner Koalitionsvertrags 2023 bis 2026 ist, hat der Berliner Senat am 20. August 2024 einen wichtigen Schritt getan, um den Weg für die 20.000 neuen Wohnungen im Jahr frei zu machen – oder zumindest die vielen Stoppschilder darauf zu entfernen. Der Senat von Berlin hat das Gesetz auf Vorlage von Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, beschlossen. Nach Prüfung durch das Abgeordnetenhaus im Herbst wird das Gesetz voraussichtlich Ende 2024 in Kraft treten. Das Schneller-Bauen-Gesetz macht mehr als 50 Änderungen in 10 Landesgesetzen und in einer Rechtsverordnung nötig.

Wer sich den Gesetzestext genauer ansieht, merkt, der hat es in sich: Das Gesetz zielt darauf ab, Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Bauprozesse effizienter sowie straffer zu gestalten und dafür Standards einzuführen. Darüber hinaus sollen auch verbindliche rechtliche Vorgaben erarbeitet werden, die für alle Bezirke gleichermaßen gelten. Ein wichtiger Punkt: Um die Ziele des Schneller-Bauen-Gesetzes zu erreichen, sollen die Zuständigkeiten zwischen Landes- und Bezirksebene künftig klar geregelt sein. Dabei gilt dann: Land steht über Bezirk.

Paragraphenzeichen an einer Steinmauer. Das Schneller Bauen Gesetz kann dem Wohnungsbau einiges an Potenzial bieten.
Bild: Geralt/pixabay

Was das Schneller-Bauen-Gesetz an Vorteilen bringen wird

Die Vorteile des neuen Gesetzes kann man unter „schneller, transparenter, klar geregelt und pragmatisch“ zusammenfassen. Denn der entscheidende Bonus liegt, wenn die Umsetzung gelingt, auch wirklich in der Zeit, die Behörden und Bauherren oder Bauträger einsparen. Dazu kommt eine transparentere Kommunikation. Wird es bei großen Projekten künftig mehr Konsens und weniger Scheingefechte mit unnötigen Verzögerungen geben? Die Macher des Gesetzes streben starke Veränderungen an.

Verkürzte Planungs- und Genehmigungsverfahren

Ein zentraler Punkt des Schneller-Bauen-Gesetzes ist die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren durch verkürzte Fristen. Bauträger und andere Bauherren sollen zeitnah – man hört und liest von Zeitspannen für einen Bescheid von nur 3 Monaten – erfahren, ob mit einer Baugenehmigung zu rechnen ist. Das erhöht die Planungssicherheit und erleichtert die Kalkulation sowie Organisation der Gewerke auf der Baustelle. Darüber hinaus will sich der Berliner Senat bei der geplanten Novelle des Baugesetzbuchs für eine Vereinfachung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans aussprechen. Auch dadurch ließe sich viel Zeit gewinnen.

Runder Tisch bei großen Bauprojekten

Bei größeren Bauvorhaben soll künftig eine Bauantragskonferenz Teil der Bauordnung sein. Alle wichtigen Beteiligten – darunter Behörden und Bauträger – sollen frühzeitig an einem Tisch versammelt werden und so in die Lage versetzt werden, Hürden, die einen Bau behindern oder sogar verhindern, aus dem Weg zu räumen oder Ersatzlösungen zu finden, um das Projekt zu starten.

Privilegierter Status für Wohnungsbau

Klar betont der Gesetzesentwurf eine Privilegierung des Wohnungsbaus. Dafür sollen bestehende rechtliche Vorgaben – etwa beim Naturschutz – angepasst werden und Rechtsnormen an das Bundesrecht angeglichen werden.

Baustelle mit drei Bauarbeitern. Würde das Schneller Bauen Gesetz in Kraft treten, könnte es in Berlin in Zukunft noch mehr Baustellen geben.
Bild: pixabay/joffi

Größerer Einfluss der Landesebene bei Entscheidungen

Um die rechtlichen Aspekte reibungsloser zu gestalten und Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, sieht das Schneller-Bauen-Gesetz vor, dass die Landesebene künftig mehr Entscheidungsgewalt erhält – zu Lasten der Bezirke. Mit § 13a im Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (AZG) darf der Berliner Senat bereits ein Eingriffsrecht geltend machen, sofern das Gesamtinteresse Berlins direkt und unmittelbar durchgesetzt werden soll.

Ein Auszug aus dem Gesetzestext: „Beeinträchtigt ein Handeln oder Unterlassen eines bezirklichen Organs dringende Gesamtinteressen Berlins, kann das zuständige Mitglied des Senats im Benehmen mit der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung als Bezirksaufsichtsbehörde Befugnisse nach § 8 Absatz 3 ausüben (Eingriff), wenn mit dem bezirklichen Organ keine Verständigung zu erzielen ist.“ Das bedeutet in der Folge: Auf Grundlage des Schneller-Bauen-Gesetzes und dem Fokus auf das Gesamtinteresse Berlins kann der Senat nun leichter Wohnungsbauprojekte genehmigen, die ein Bezirk – etwa aus Gründen des Arten-, Natur- oder Denkmalschutzes – ablehnt.

Erleichterte bauliche Umnutzung und Aufstockung von Bestandsgebäuden

Eine günstige Perspektive erhalten durch das Besser-Bauen-Gesetz geplante Umnutzungen in Bestandsgebäuden. In diesem Segment soll geprüft werden, ob Erleichterungen bezüglich des erforderlichen Brandschutzes möglich sind. Das betrifft vor allem Aufstockungen von Wohngebäuden: Bis zu zwei Etagen pro Haus mehr sollen so künftig schneller und unkomplizierter realisiert werden können. Sind Umnutzungen von bestehenden Bürogebäuden, Krankenhäusern oder etwa Hotels geplant, wird die Genehmigung dafür nach dem Willen des Senats in Zukunft ebenfalls leichter erhältlich sein.

Digitalisierung der Planungs- und Genehmigungsverfahren

Die geplante Digitalisierung der Bauprozesse inklusive des Genehmigungsverfahrens ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Schneller-Bauen-Gesetzes. Das Team, das das Gesetz erarbeitet hat, sieht darin die Chance, nicht nur die Arbeit der Behörden zu vereinfachen, sondern auch Bauherren und künftigen Immobilieneigentümern einen besseren Einblick in den aktuellen Stand ihres Bauvorhabens zu geben.

Bauarbeiter beim Hochbau.
Bild: pixabay/dimitrisvetsikas1969

Kritik am Schneller-Bauen-Gesetz

Dass Berlin für Bauträger und Investoren attraktiver werden muss, bestreitet wohl niemand. Denn lebenswert ist eine Stadt nur, wenn der Gedanken an das Wohnen jetzt und in der Zukunft keine Sorgen bereitet. Diese Sorgen sind berechtigt. Bereits heute ist es für viele Menschen schwer, in Berlin eine Wohnung zu finden. Bis 2040 wird Berlin + laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 3,963 Millionen Einwohner zählen. Ende des ersten Quartals 2024 wohnten offiziell 3,785 Millionen Menschen in der Stadt.

Das Schneller-Bauen-Gesetz hat trotz der Notwendigkeit, den Neubau anzukurbeln, Kritiker, die in diesem Jahr deutliche Einwände gegen den Entwurf erhoben. Denn vielen Menschen ist die bald erweiterte Entscheidungshoheit des Berliner Senats ein Dorn im Auge. Besonders die Warnungen aus den Reihen der Naturschützer geben durchaus zu denken …

Eingriff in den Natur- und Denkmalschutz

Kritiker befürchten, dass durch die beschleunigten Verfahren und die erweiterten Eingriffsrechte des Senats schützenswerte Natur- und Kulturgüter gefährdet werden könnten. Enge Fristen für die Beschlussfassung zu Baugenehmigungen könnten vorschnelle Entscheidungen auslösen – auf Kosten der Natur. Ob bald schon geschützte Tiere und Pflanzen favorisierten Bauvorhaben weichen müssen?

Die Prüfung des Lebensraums und eines Ausweichquartiers nahm in der Vergangenheit häufig Jahre in Anspruch. Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler, spricht in einem Interview mit der Immobilien Zeitung (24.01.2024, online) von einer früher oft „missbräuchlichen Verwendung“ berechtigter Schutzmaßnahmen.

Um zu verhindern, dass künftig Bauvorhaben unter dem Deckmantel des Naturschutzes ausgebremst werden, werden Regelungen im Naturschutz- und im Waldgesetz sowie in der Baumschutzverordnung neu gefasst werden. Auf diese Weise werden zugunsten von Wohnungsbauprojekten und der nötigen Infrastruktur der Schutz von Biotopen und von Waldflächen aufgeweicht. Auch die Baumschutzverordnung soll künftig mehr Ausnahmen vorsehen.

Wenn hier nicht vorausschauend und nachhaltig gedacht wird, könnte das für die Natur – und mittelfristig die Berliner – fatal werden. Berlin braucht nicht nur Wohnungen, sondern auch artenreiche Grünflächen, um die Stadt lebenswert zu machen.

Eidechse sitzt auf einem Ast.
Naturschutz oder Wohnungen? Keine einfache Entscheidung. Bild: pixabay/PavanPrasad_IND

Christian Gaebler erklärt im Bezug auf den Natur- und Artenschutz im oben genannten Interview mit der Immobilien Zeitung, dass es nicht darum gehe, „den Naturschutz abzuschaffen, sondern darum, stringent und strukturiert abzuarbeiten, was naturschutzrechtlich wirklich erforderlich ist“. Es sei wichtig, „keine große Unsicherheit über die Auslegung der Gesetze zu lassen – etwa ob der Bearbeiter in einem Berliner Bezirk 10 qm oder 15 qm pro Zauneidechse wolle“.

Mit dem geplanten Wohnungsneubau wird auch der Bedarf an Ausgleichs- und Kompensationsflächen steigen. Das Land Berlin soll deshalb ein höher gewichtetes Vorkaufsrecht für den Erwerb von Flächen in Landschaftsschutzgebieten erhalten.

Ein Gesetz mit Chancen – und hohen Herausforderungen

Das Schneller-Bauen-Gesetz bietet zahlreiche Vorteile für Bauträger, Investoren und künftige Immobilieneigentümer. Die beschleunigten Planungs- und Genehmigungsverfahren, klareren Zuständigkeiten und der geplante Ausbau der Digitalisierung versprechen eine effizientere und verlässlichere Umsetzung von Bauprojekten – und ein einfacheres Kalkulieren der Baukosten sowie Organisieren der Gewerke. Dies sind wichtige Anreize für Investoren und Bauträger, in Berlin aktiv zu werden.

Schon ab 2028 könnte das Schneller-Bauen-Gesetz erste positive Effekte zeigen. Ein wenig Vorlauf brauchen die Behörden und Baugewerke ja trotzdem noch, bis neue Wohnungen, die mithilfe des neuen Gesetzes entstehen, bezugsfertig sind. Letztendlich wird der Erfolg des Schneller-Bauen-Gesetzes zum einen davon abhängen, wie gut es gelingt, etwa die Digitalisierung der Bauakte voranzutreiben und die Behörden sowie ihre Zuständigkeiten umzustrukturieren.

Der Koalitionsentwurf, der den Rahmen für das erhoffte Schnellere Bauen bildet, möchte nichts weniger als das Beste für Berlin. Dazu gehört eine zukunftsorientierte, nachhaltige Stadtentwicklung, die langfristige städtebauliche und ökologische Ziele der Stadt sowie ihrer Bezirke wertschätzt. Und wenn lebenswerte Quartiere bald schneller entstehen? Perfekt!

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Text:   Kerstin Funke
Title Image:   pixabay/BernardoUPloud

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