Wenn es darum geht, Neubau bezahlbar zu machen sind alle gefragt, auch du als Immobilienkäufer. Wie genau das gehen kann, liest du im folgenden Interview mit Dr. Christian Oberst vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
Dr. Christian Oberst
Dr. Christian Oberst ist Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Hier forscht und publiziert er seit 2018. Seine Forschungsschwerpunkte: Wohnungspolitik, Immobilienindizes, Regionalentwicklung und Regionalpolitik, angewandte räumliche Datenanalyse, Auswahlexperimente.
Außerdem ist er Lehrbeauftrager zu Immobilienökonomie und Demographie an der European Business School Oestrich-Winkel, der International Real Estate Business School (IREBS) und der Bergischen Universität Wuppertal.
Wie lassen sich gestiegene Kosten für Neubauwohnungen in den Griff bekommen? Darüber diskutieren Experten seit Monaten. Ansätze gibt es viele, einer geht so: Frag dich „Was brauche ich wirklich“? Bezogen auf den Stellplatz, das Gäste-WC, die Größe des Kellers.
Eine Studie des Instituts für Deutsche Wirtschaft (IW) mit dem Titel „Optionen für bezahlbaren Neubau“ hat sich genau mit diesen Punkten beschäftigt. Lies in unserem Interview mit Dr. Christian Oberst, welche Ideen es dazu gibt und weshalb sie in anderen Ländern Europas bereits umgesetzt werden, bei uns aber noch auf sich warten lassen.
Unser Beitrag „Was gehört zur Standard-Kategorie“ verrät dir übrigens, auf was du dich als Käufer einer Neubauwohnung bereits „serienmäßig“ freuen kannst.
- neubau kompass:
- Herr Oberst, in Ihrer Studie steht, dass geringere Ausstattungsstandards einen erheblichen Einfluss auf die Kaufpreise haben. Was sind Ihrer Ansicht nach vertretbare „geringere Standards”?
- Dr. Christian Oberst
Das bezieht sich vor allem auf die einfachen Ausstattungen im Vergleich zu den normalen und hochwertigen. Zu beachten ist, dass einfache Ausstattungen im Neubau die typischen Standards im Bestand oft weit übertreffen. Letztlich handelt es sich aber um eine Frage des Preis-Leistungs-Verhältnisses, dessen Antwort im dezentralen Marktprozess gefunden werden muss und sich je nach Wohnsegment unterscheiden wird.
Sowohl Anbieter als auch Käufer sollten die Notwendigkeit von beliebten Ausstattungsmerkmalen wie Keller, Stellplatz, Keller-WC oder auch dem besten und teuersten Material bei Bodenbelägen, Wandverkleidungen etc. vor dem Kostenpunkt hinterfragen.
Es lässt sich vermuten, dass kleine Haushalte möglicherweise eher bereit sind, auf ein Gäste-WC zu verzichten, während größere Haushalte vielleicht bei Bodenbelägen und Wandverkleidungen sparen würden. Die Entscheidung über die Ausstattung ist aber letztlich sehr individuell. Interessanterweise zeigt die Datenanalyse, dass ein Balkon mittlerweile als Standard Ausstattungsmerkmal betrachtet wird, auf das wohl die wenigsten verzichten würden, beziehungsweise, dass bei Neubauprojekten nahezu immer ein Balkon angeboten wird.
Was letztlich vertretbare Ausstattungsstandards sind, hängt davon ab, was auf dem Markt akzeptiert wird. Das Kostenbewusstsein der Käufer und folglich auch der Anbieter sollte angesichts der veränderten Rahmenbedingungen jedoch gestiegen sein. Auch in der Politik ist dieser Punkt langsam angekommen, wie beispielsweise die Aktivitäten der Baukostensenkungskommission zeigen. Bei der Auswahl von Ausstattung und Standards gilt es zu bedenken: mehr und besser ist fast immer möglich, jedoch stellt sich die Frage, ob der dazu aufgewendete zusätzliche Euro nicht anderswo effektiver eingesetzt werden könnte.
- neubau kompass:
- Sie zitieren Beispiele aus dem Ausland, wenn es darum geht, Neubauprojekte kostengünstiger zu realisieren. Warum tut sich Deutschland so schwer, seinen europäischen Nachbarn nachzuziehen?
- Dr. Christian Oberst
Sehr schwierig zu beantworten, letztlich handelt es sich für mich um eine Frage der kulturell bedingten Akzeptanz. Einerseits erkennen die meisten Menschen in Deutschland die Notwendigkeit zur Förderung von bezahlbarem Wohnungsbau an, andererseits dürfte die Zustimmung zu konkreten Maßnahmen oft geringer ausfallen. Wobei die Zustimmung zu politikbezogenen Maßnahmen, wie etwa der Senkung der Grunderwerbssteuer oder der Bereitstellung zinsreduzierter Kredite für private Wohnungskäufer, in der Regel höher sein sollte als zu objektbezogenen Maßnahmen, die mitunter Abstriche bei der Qualität darstellen oder zumindest als solche angesehen werden.
Wie schon zu den Ausstattungen diskutiert, werden im Wohnungsbau oft Maximalforderungen gestellt, ohne den Zusatznutzen von Maßnahmen zu berücksichtigen. Bei der Suche nach Mietwohnungen, gerade im Bestand, sind Kompromisse schon eher üblich. Darüber hinaus sind Vorschriften, Normen und Standards, sowie Regelungen und Förderungen oft gut gemeint, aber viel zu komplex und verhindern damit notwendige Neubauaktivitäten und Innovationen.
Das Akzeptanzproblem zeigt sich auch bei dem sogenannten NIMBY-Problem (Not In My Backyard) im Bereich des Wohnungsbaus. Die Allermeisten stimmen dem Ziel bezahlbarer Mieten und erschwinglicher Kaufpreise zu, dennoch neigt die Bevölkerung gleichzeitig dazu, die dazu notwendigen größeren Wohnungsneubauprojekte in unmittelbarer Umgebung abzulehnen.
Ein Phänomen, das wir von der Energiewende kennen. Oft machen wir (richtigerweise) der Politik den Vorwurf, zu wenig zu tun, aber beim Wohnungsbau, ob bei Nachverdichtung oder weiteren Stadtentwicklung, müssen wir als Gesellschaft bereit sein, Kompromisse einzugehen – sowohl beim Neubaustandort in der eigenen Nachbarschaft als auch bei der Ausstattung und den Baustandards.
- neubau kompass:
- Durch den Verzicht auf Tiefgaragen oder Keller können Preisabschläge zwischen 4 und 9 % der Baukosten – und damit der Kaufpreise – möglich werden. Kann durch ein Umdenken bei Mobilität und Konsum mittel- und langfristig eine Verringerung der Kaufpreise erzielt werden?
- Dr. Christian Oberst
In unserer Studie zeigen wir, dass die Preisabschläge schon jetzt realisierbar sind. Oftmals stehen jedoch gesetzliche Vorgaben im Weg, beispielsweise die Stellplatzvorschriften. In einer Studie im Oktober 2023 zu Stellplätzen im Wohnungsbau verdeutlichen wir, dass hohe Stellplatzanforderungen, die nicht den tatsächlichen Bedürfnissen der Bewohner entsprechen, erhebliche ökonomische, ökologische und soziale Konsequenzen haben können.
Dies liegt daran, dass dadurch teurer und flächenintensiver gebaut werden muss. Dabei gibt es ein Spannungsverhältnis (Flächenkonkurrenz) sowohl zwischen bezahlbarem Wohnraum und der Bereitstellung von Stellplätzen als auch zwischen privatem und öffentlichem Parkraum. Eine effiziente Bereitstellung und Bepreisung von Stellplätzen kann nur dann funktionieren, wenn ein Überschwappen in den öffentlichen Parkraum verhindert wird, indem es etwa eine Parkraumbewirtschaftung bei Übernutzung gibt.
Wichtig ist mir dabei: Es geht nicht darum, neue Park-, Stellplätze und Tiefgaragen einfach zu verhindern. An vielen Standorten und bei vielen Käufergruppen sind sie nach wie vor bedarfsgerecht, aber eben nicht für alle und vielleicht bei den veränderten Rahmenbedingungen auch in geringerem Maße.
Der Bedarf muss auch mit der entsprechenden Kaufkraft ausgestattet sein. Letztlich sollten sich politische Vorgaben für Stellplätze stärker an den tatsächlichen Bedarfen orientieren als bislang – und zwar individuell auf den jeweiligen Standort bezogen. Bauträger können dafür oft auf langjährige Erfahrungswerte zurückgreifen oder gezielt Marktforscher beauftragen und so passgenau Stellplätze planen.
Eine Herausforderung ist sicherlich die Schätzung des zukünftigen Bedarfs. Gleichzeitig können politisch Verantwortliche ihren Teil dazu beitragen, den Stellplatzbedarf dauerhaft zu reduzieren durch bessere ÖPNV- Angebote sowie mehr und sicherer Raum für Fahrräder. Aber auch, indem die Kosten für einen Parkplatz generell nicht von der Allgemeinheit getragen werden müssen, sondern von demjenigen, der ihn nutzt – egal, ob sich dieser Platz nun am Straßenrand, auf dem eigenen Grundstück oder in einer Tiefgarage befindet.
Deutlich einfacher ist es, beim Stauraum wie Keller zu sparen. Hier können Anbieter bereits heute die Marktfähigkeit testen und tun dies vielfach auch oft. Ob Stellplatz, ÖPVN-Anbindung oder Keller, die vorhandene Infrastruktur und Ausstattung beim Einzug in eine neue Wohnung beeinflussen nachhaltig das zukünftige Konsumverhalten. Wenn es da ist, wird es auch dauerhaft genutzt. Aber ein Angebot, das nicht bedarfsgerecht ist, wird dann auch nicht nachgefragt.
- neubau kompass
- Herzlichen Dank für das Gespräch!
Interview: | Julia Niewöhner |
Titelbild: | udra / iStock |