Zukunftsforscher Kai Gondlach hat ein Auge auf die Trends von morgen. Wir haben mit ihm über Künstliche Intelligenz, „lebenden“ Beton und weitere spannende Ideen gesprochen, die die Immobilienbranche grundlegend verändern könnten.

Kai Gondlach
Kai Gondlach ist Zukunftsforscher (M.A.), Autor, Keynote Speaker und Geschäftsführer des PROFORE Zukunftsinstituts. Gemeinsam mit seinem Team unterstützt er Unternehmen und Organisationen dabei, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen, sich zukunftssicher aufzustellen und nachhaltige Entwicklungsziele umzusetzen. In seinen Vorträgen und Publikationen liefert er wissenschaftlich fundierte Impulse, die Menschen dazu anregen, ihre Zukunft aktiv zu gestalten.
- neubau kompass
- Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist nicht komplett neu, aber Anwendungen wie ChatGPT, Google Gemini und DALL·E haben es in den letzten Jahren auch für Laien greifbar gemacht. In Bezug auf die Immobilienbranche: Wie kann KI hier sinnvoll genutzt werden und was ist der aktuelle Stand?
- Kai Gondlach
Ja, das sind die beiden Pole: Was kann man machen und wo stehen wir? Die meisten Unternehmen, egal in welcher Branche, stehen ungefähr da, wo sie vor zwei Jahren standen. Sie haben viel ausprobiert und gemerkt: Es ist nicht die Wunderlösung, mit der sich plötzlich alles automatisieren lässt und man nur noch ein Drittel der Belegschaft braucht. Das ist auch gut so – solche Veränderungen passieren nicht über Nacht. Natürlich ist die anfängliche Euphorie abgeflacht. Wie Sie schon sagen, KI ist ja nicht neu, nur die generative KI, also Sprachmodelle, Bild- und Textgeneratoren, haben das Thema stärker in die Öffentlichkeit gerückt.
Wir haben schon 2018/2019 mit generativer KI experimentiert. Das gehört zu meinem Job als Zukunftsforscher: früh anschauen, ausprobieren und dann überlegen, was das bedeuten kann. Man muss abwägen und mit Experten sprechen, um herauszufinden, was realistisch ist. In jedem Sektor steckt da viel Potenzial, aber wir Deutsche sind nicht dafür bekannt, dass wir uns mithilfe einer neuen Technologie irgendein disruptives Geschäftsmodell ausdenken und dann plötzlich eine ganze Branche umkrempeln.
Die Zukunft in der Hand: 3D-gedruckte Häuser könnten in der Baubranche mehr Anklang finden, wenn wir in neue Technologien investieren. © Jakub Zerdzicki / pexels Aber jetzt mal konkret zu den Jobbildern: Projektentwickler haben meiner Meinung nach goldene Zeiten vor sich, gerade weil wir über eine Million Wohnungen zu wenig haben. Sie können mit oder ohne KI eine Menge erreichen. Dabei ist es wichtig, neue Konzepte auszuprobieren – zum Beispiel Mischnutzung – und zu schauen, ob man aufstocken oder den Zweck des Gebäudes ändern kann, vielleicht sogar die Vermarktung. Hier können KI-Anwendungen wie ChatGPT, Claude oder Gemini hilfreich sein, um sich erste Ideen zu holen. Man hat dann so eine Art Sparringspartner, den es vorher nicht gab – jemand, dem man auch mal „dumme“ Fragen stellen kann, die man im Kollegenkreis vielleicht nicht stellen würde, weil man Angst hat, das Gesicht zu verlieren.
- neubau kompass
- Gibt es schon konkrete KI-Anwendungen für die Baubranche oder Architekten, etwa um Entwürfe oder Ähnliches zu generieren? Also Tools, die man gezielt einsetzen kann?
- Kai Gondlach
Definitiv. Wir haben für eine Studie letztes Jahr unter anderem mit Goldbeck gesprochen. Die sind sehr innovativ, haben „Spielgeld“ für Zukunftsthemen, also auch für neue Baustoffe oder digitale Planung. Ich kenne natürlich nicht jede Anwendung. Oft wird nicht laut darüber gesprochen, was hinter den Kulissen passiert. Aber aus meiner Erfahrung gilt: Hat man verstanden, was KI kann, lassen sich viele Träume damit umsetzen. Und wenn man etwas wirklich braucht und es noch keine Lösung gibt, kann man sie selbst bauen.
Heute liegen alle Frameworks und Modelle bereit, vieles ist Open Source. Wir können bestimmte Dinge an eine KI auslagern oder kleinere Firmen damit beauftragen. Das geht mit überschaubarem Budget. Wenn jemand ein eigenes Sprachmodell wie Gemini bauen will, dauert das einen Tag – vorausgesetzt, man hat Serverkapazitäten und einen Softwarearchitekten, der es einrichtet. Dann trainiert man es auf die eigenen Daten. Damit ist man unabhängig von ChatGPT oder OpenAI und muss sich über Datenrechte weniger Sorgen machen. Dasselbe gilt für Bildgenerierung. Hat man ein, zwei KI-Experten (oder ein paar Studis, die sich auskennen), kann man in zwei, drei Monaten ein MVP fertig haben. Das kostet dann nicht mehr Millionen, sondern eher überschaubare Beträge, vielleicht 20.000 Euro oder so. Die meisten trauen sich das aber nicht, weil ihnen das Know-how fehlt oder sie sich noch nicht genug mit KI beschäftigt haben.
- neubau kompass
- Also scheitert es nicht an den Kosten, sondern daran, dass KI noch zu neu erscheint und viele nicht wissen, wie sie das in den Arbeitsalltag integrieren können?
- Kai Gondlach
Genau. Die Grundkenntnisse fehlen. Ich habe letztes Jahr ein Buch veröffentlicht, KI jetzt!, das dieses Wissen sehr zugänglich vermitteln soll, also wie KI eigentlich funktioniert, im Sinne von: „Das sind die Konzepte, das sind die Zusammenhänge, und diese Fragen sollte man sich stellen.“
Gleichzeitig sage ich aber auch ganz offen: Es gibt bestimmte industrielle Anwendungsfälle, die noch nicht reif sind oder sich noch nicht rechnen. Aber damit sich ein Unternehmen überhaupt traut, mal 20.000 oder 100.000 Euro zu investieren, braucht es mindestens ein grobes Verständnis dafür, was KI leisten kann. Dazu muss man nicht zwei Jahre Informatik studieren. Ein gewisses Basiswissen reicht oft schon aus, um lohnende Business Cases zu erkennen.
Ein Fingertipp in ChatGPT kann genügen, um neue Geschäftsideen ins Rollen zu bringen. © Airam Dato-on / pexels
- neubau kompass
- In einem Artikel von Ihnen habe ich von „lebendem Beton“ gelesen. Das klingt spannend und hat ja einen Bezug zur Nachhaltigkeit in der Baubranche. Können Sie dazu etwas erzählen?
- Kai Gondlach
Bisher wird lebender Beton, soweit ich weiß, nur in Pilotprojekten an Universitäten oder Forschungsinstituten getestet. Die große Überschrift ist Dekarbonisierung: Wir müssen aufhören, dauernd neue Rohstoffe aus der Erde zu ziehen. Trotz des Bedarfs an neuem Wohnraum wollen wir regenerativ bauen. Einige Stoffe werden knapp, beispielsweise Sand, den wir für Glas und Siliziumchips brauchen.
Selbstheilender Beton enthält Mikroben, die Risse reparieren und so langfristig Stabilität sichern. Das kann spannend sein, weil man dann weniger Bauüberprüfungen machen müsste oder Brücken nicht so schnell verfallen. Aber bis das auf breiter Basis umgesetzt wird, dauert es noch – man muss es im Labor testen, man braucht Zulassungen, und nicht jeder traut sich ran. Trotzdem sollten wir jetzt mit solchen Ideen anfangen, damit es irgendwann in größerem Stil verfügbar wird. Der Großteil unserer Bestandsgebäude bleibt aber bestehen, wir können nicht von heute auf morgen alles komplett neu und nachhaltig bauen.
- neubau kompass
- Das bedeutet, wir müssen gleichzeitig neu bauen, aber auch bestmöglich im Bestand arbeiten. Wäre hier Mischnutzung eine Option?
- Kai Gondlach
Absolut. Ich habe das mal mit einem Staatssekretär aus dem Bauministerium diskutiert. Leider stehen uns oft Verwaltung und Steuerrecht im Weg. Mischnutzungen – beispielsweise Hotels, die in Messezeiten voll sind und danach leer stehen – wären eigentlich genial, weil man möblierte Zimmer hätte, die zeitweise als Wohnraum genutzt werden könnten. Aber es gibt keinen wirtschaftlichen Anreiz für die Betreiber. Systemisch betrachtet ist es natürlich verrückt, dass in vielen Städten ungenutzte Räume vor sich hin stehen, während andere vergeblich nach Wohnungen suchen. Genauso sind ganze Landstriche in Brandenburg oder Sachsen fast leer, weil da keine Jobs sind, während in München und Hamburg alle dicht an dicht wohnen.
Hotelzimmer als Mietwohnung? Mischnutzungen könnte dringend benötigten Wohnraum schaffen. © Pixabay Also insofern: Ja, eine Umnutzung oder auch adaptive Umnutzung von Bestandsstrukturen wäre sehr, sehr schlau. Aber gibt es einen ökonomischen Anreiz dafür? Und gibt es spezialisierte Agenturen oder Unternehmen, die das ernsthaft verfolgen, ohne gleich zu sagen: „Okay, dann erhöhen wir mal eben die Kaltmiete um x Prozent“ – und am Ende steht alles doch wieder leer? Das ist wirklich eine spannende Frage, die uns schon mehrfach beschäftigt hat.
- neubau kompass
- Herzlichen Dank für das Gespräch!
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Wir wünschen dir viel Erfolg und spannende Entdeckungen bei deiner Immobiliensuche.
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