Ausbauhaus – sieht so die Zukunft des Bauens aus?

Ausbauhaus – sieht so die Zukunft des Bauens aus?

Was wäre, wenn dein Zuhause selbst nach dem Einzug offen für Veränderungen bliebe? Dem Ausbauhaus liegt diese Art des Bauens zu Grunde. Wände, Fußböden und sogar die Fassade können ohne großen Aufwand ersetzt oder zurückgebaut werden. Obendrauf ist das Ganze kosteneffizient.

So kann es nicht weitergehen: Rund 750.000 Tonnen Bauabfälle auf Gipsbasis fallen jährlich in Deutschland an1. Um Müll beim Abriss von Gebäuden zu reduzieren, ist bereits bei der Planung ein Umdenken notwendig. Praeger Richter Architekten aus Berlin setzt daher auf das Konzept des Ausbauhauses. In den Berliner Stadtteilen Neukölln und Schöneberg haben die Architekten zwei Neubauten realisiert, die Nachhaltigkeit, Flexibilität und Kosteneffizienz in den Fokus rücken. Die Gebäude wurden so gedacht, dass ihre Grundrisse einfach anpassbar sowie die Materialien entsprechend ihrer Lebensdauer flexibel ersetz- und rückbaubar bleiben. Wir haben uns angeschaut, wie das Konzept des Ausbauhauses im Detail funktioniert.

Langlebige Tragstruktur als Basis des Ausbauhauses

Ja, Stahlbeton klingt nicht unbedingt nachhaltig. Doch ein genauer Blick offenbart, warum gerade dieser Verbundwerkstoff beim Gebäudebau seine Stärken zeigt. Stahlbeton besitzt u.a. eine hohe Tragkraft, ist langlebig und ermöglicht einen flexiblen Umbau von nicht-tragenden Bauteilen. Im Rahmen des Ausbauhauses, bei dem ein besonderer Fokus auf anpassbaren Grundrissen und dem Rückbau von Materialien liegt, bietet Stahlbeton somit sowohl funktionale als auch wirtschaftliche Vorteile.

Grundrisse ohne tragende Wände

„Holt mich hier raus…“ – ein Satz, der dir vielleicht aus der gleichnamigen Reality-Show bekannt ist, aber auch auf Grundrisse in einem Ausbauhaus zutrifft. Denn hier geht es um die „Befreiung“ des Grundrisses von der Tragstruktur. Es gibt keine tragenden Wände innerhalb der Wohnung, was dauerhaft für eine hohe Flexibilität bei der Grundrissgestaltung sorgt. Während das Mauerwerk bei herkömmlichen Neubauten i.d.R. aus Ziegel- oder Betonsteinen besteht (nicht-tragende Wände oftmals aus Gipsplatten), kommen beim Ausbauhaus trocken montierbare Holzständerwände zum Einsatz. Dadurch bleibt der Grundriss offen für Veränderungen.

Eine Visualisierung des Aufbaus der Innenwand im Ausbauhaus.
Aufbau der Innenwand. © Praeger Richter Architekten
Eine Visualisierung des verbundstofffreien Fußbodens im Ausbauhaus.
Verbundstofffreier Fußboden. © Praeger Richter Architekten

Beim Fußbodenaufbau liegt der Fokus auf einer verbundstofffreien Bauweise. Die Basis des Fußbodens bildet eine Schicht aus trockenen, ungebundenen Holzspänen. Darüber kommt eine Holzfaserdämmplatte, dann das Heizsystem (auf Holzfaserbasis mit Wärmeleitblechen) und anschließend eine Trockenestrich-Platte als Trittschalldämmung. Den Abschluss bildet der Bodenbelag, ein Klick-Parkett. Der Vorteil dieser Bauweise ist, dass sie einfach anpassbar ist und die Materialien wiederverwendbar sind.

Die Fassade ist nach einem ähnlichen Prinzip konzipiert – als rückbaubare und recycelbare Holzkonstruktion. Die Holzfaserdämmung wird hinter die Fassade gesteckt und die Lärchenschalung verschraubt. Somit geht eine spätere Reparatur oder ein Austausch der Teile leicht von der Hand.

Nachhaltigkeit im Fokus

Wir halten fest: Das Konzept des Ausbauhauses setzt auf eine anpassbare Bauweise, die offen für Veränderungen bleibt und bei der die Materialien durch ihre Rückbaubarkeit wiederverwendet oder bei einer Modernisierung sortenrein getrennt werden können. Dabei gilt die Richtlinie: „Je kurzlebiger die Bauteile des Gebäudes sind, desto eher müssen sie wiederverwertbar und umso einfacher demontierbar sollten sie sein“2. Das Resultat ist Kosteneffizienz auf den gesamten Lebenszyklus des Hauses betrachtet.

Prinzipskizze des Lebenszyklus der Bauteile im Ausbauhaus.
© Praeger Richter Architekten

„Je kurzlebiger die Bauteile des Gebäudes sind, desto eher müssen sie wiederverwertbar und umso einfacher demontierbar sollten sie sein.“

– Praeger Richter Architekten

Vorzeigeprojekt – Ausbauhaus Südkreuz / Berlin

„Neubauten von heute werden in Zukunft nicht mehr abgerissen und entsorgt, sondern dienen als wertvolles Materiallager, welches materialbewusst modernisiert oder umgebaut werden kann.“ So beschreibt Praeger Richter Architekten das Konzept des Ausbauhauses, und nach diesem Prinzip haben sie das Neubauprojekt Südkreuz / Berlin im Stadtteil Schöneberg realisiert.

In einem sechsgeschossigen Gebäude ist ein Mix aus Eigentums-, geförderten Mietwohnungen und Gewerbeeinheiten entstanden. Im Innenausbau, dem kurzlebigsten Teil des Hauses, wurden überwiegend nachwachsende sowie verbundstofffreie Materialien eingesetzt. Dadurch ist ein späterer Rückbau und die Wiederverwendung der Materialien problemlos möglich.

Straßenansicht eines Wohngebäudes mit Balkonen, roten Vorhängen und parkenden Autos davor.
Ausbauhaus Südkreuz / Berlin

  • Fertiggestellt August 2022
  • Berlin-Schöneberg
  • 18 Wohneinheiten
  • Bauherren: Baugruppe Südkreuz GbR
  • Konstruktion: Holz-Beton-Hybridbauweise, verbundstofffreie Holzständerwerk-Fassade mit vorgehängter Lärchenverschalung als rückbaubare Holzkonstruktion
  • Innenausbau weitestgehend aus nachwachsenden Baustoffen
  • trocken montierbare Holzständerwände
  • Materialien sicht- und lösbar verschraubt, gelegt, gesteckt (können abmontiert und an anderer Stelle verwendet werden)
  • Kreislaufgerechter Ausbau aus nachwachsenden Rohstoffen
    Nachhaltigkeit: KfW 40

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  1. praegerrichter.de ↩︎
  2. https://praegerrichter.de/Verbundstofffrei-Ausbauen ↩︎
Text:   Janek Müller
Title Image:   © Praeger Richter Architekten

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